Das erste vereinigte Narrenfest in Groß-Innsbruck
Die 1855 gegründete Innsbrucker Liedertafel war auf diesen Seiten schon mehrmals Thema, etwa ihr 50-Jahr-Jubiläum zu Pfingsten 1905 oder die im Feber 1905 organisierte Faschingsveranstaltung. An letztere will ich heute anknüpfen und noch ein Jahr weiter zurück gehen. Anlässlich der „Vereinigung Innsbrucks mit den entern Gründen“, sprich der Eingemeindungen von Wilten und Pradl, veranstaltete die Liedertafel am 13. Feber 1904 in den Stadtsälen ihr „Erstes vereinigtes Narrenfest in Groß-Innsbruck“, das am 30. Jänner und 8. Feber ausführlich in den Innsbrucker Nachrichten angekündigt wurde.
„Die viel umworbene Braut Veldidena, welche sich endlich entschlossen hat, ihre alte Heimat aufzugeben, wird im Triumphzuge ihrem Bräutigam Oenipons zugeführt werden„, wobei der Riese Haymon als Brautführer und Trauzeuge firmierte. Auch „verschiedene Ahnen und Ahndln – in kleidsamen Gewändern aus Wiltens Römerzeit, darunter der älteste Gmoavorsteher, wollen sich ihre Epigonen betrachten, die elektrische Trambahn, in der die Rösser ‚drinnen‘ sitzen, will den Trauerfackelzug um die auswandernden Akzishäuseln mitmachen und den Champagner der Freude aus dem Vereinigungsbrunnen schlürfen, dessen Nixlein mit Greils und v. Sieberers Erlaubnis zu fröhlichem Reigen aus ihrer feuchten Tiefe kommen dürfen.“
Neben einem strammem Pradlerschütz wurden auch Erzherzog Leopold, Walther von der Vogelweide und sogar der Kaiser der Sahara erwartet. „Werden da die als Gäste geladenen Höttinger Vogelfanger einen Neid haben, daß sie selber noch nicht als vollwertige ‚Groß-Innsbrucker Stadtbrüder‘ durch die Stadttore trollen können, sondern beim Akzis – beim Bauernwirt ‚Außer der Linie‘ im 1. Stock – den Durst stillen.“ Auch ein „Inn- und Sill-Hort“ und ein „Stadtwäldchen“ konnte man im Groß-Innsbruck der Stadtsäle besuchen. Der elektrische Aufzug führte „jedermann zu der luftigen Höhe der Hungerburg empor„.
Im Rahmen einer k. k. Rundschau zum Faschingsende brachte sogar das Wiener „Interessante Blatt“ am 25. Februar einen Kurzbericht; überraschenderweise ohne den Leserinnen und Lesern den Grund des Vereinigungsthemas zu erklären. Überhaupt ist dem zu entnehmen, dass das lokale Thema um eine internationale Komponente angereicherte wurde: „Von nah und fern waren fröhliche Gäste zusammengekommen, bunte Gruppen, überraschende Erscheinungen. Zuerst traten stramme Accisler als unerbittliche Steuerorgane auf den Plan, dann eine originelle Negerkapelle, der wieder bunte Gestalten folgten, Vertreter aller Täler Tirols, die ein prächtiges Bild der verschiedensten Nationalkostüme darboten. Zwischen die Tiroler mischten sich Japanerinnen, Zigeunerinnen und Pieretten.“ Auch eine Fotografie des Festwagens wurde abgedruckt, auf dem man einige der Personen des heutigen Titelbildes wiedererkennen kann. Wo dieses aufgenommen wurde? Sicher vor einem neu errichteten Akzishäuschen! 🙂
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-35845)