Auf dem Weg zur Sillgasse (I.)
Als das Realgymnasium Sillgasse 1910 eingerichtet wurde, gab es bereits seit zwölf Jahren eine „höhere Töchterschule“ in Innsbruck. Bis zur Gründung der selbigen gab es nur zwei Institutionen, die jungen Frauen in der Stadt über die Volkschule hinweg Bildung anbot: die private Ursulinen-Schule und die k.k. Lehrerinnenbildungsanstalt. 1885 hatte der kaiserliche Rat Anton R. v. Schullern für die Errichtung einer höheren Mädchenschule plädiert. Der Gemeinderat beschloss daraufhin noch im selben Jahre, diesem Wunsch nachzukommen. Diesem Beschluss folgte jedoch keine Handlung – 1894 gab der Rat einem Antrag des Bezirksschulinspektors statt, doch auch diesmal blieb dies vorerst ohne Folgen, da der Tiroler Landesausschuss sich querstelle.
Dennoch wurde 1896 schließlich die benötigte Fläche durch die Stadt erworben, noch im selben Jahre wurde die Firma Lubomirsky mit dem Bau beauftragt. Die Kosten beliefen sich auf ca. 180.000 Gulden. Anfänglich wurde eine Volksschule im Gebäude eingerichtet, aber schon bald wurde beschlossen, eine vierklassige höhere Schule einzurichten. Der damalige Bürgermeister, Wilhelm Greil, zeigte großes Interesse an dem Vorhaben und war bei den Sitzungen des Verwaltungsausschusses anwesend. Als Räumlichkeiten dienten die oberen Stockwerke des errichteten Schulgebäudes, in den unteren befand sich weiterhin die Volksschule.
Die ersten Klassen begannen im Schuljahr 1898/99, mit 199 Schülerinnen. Das fünfzigjährige Thronjubiläum des Kaisers, am 2. Dezember 1898, fiel somit in das erste Schuljahr – jede Schülerin erhielt ein von der Stadt zur Verfügung gestelltes Exemplar der Festschrift „unser Kaiser“.
1904 wurde im Gemeinderat der Antrag gestellt, die höhere Töchterschule in ein Lyzeum umzuwandeln. Es gab jedoch zahlreiche Skeptiker, und man beschloss die Sache vorerst zu vertagen. Erst sechs Jahre später wurde beschlossen, die Schule in ein Realgymnasium zu verwandeln. Die „idyllischen Verhältnisse“ in denen von höheren Töchterschulen verlangt wurde, Mädchen gerade genug „oberflächliche Gesellschaftsbildung“ zu vermitteln um sich in Gesprächen in gebildeten Kreisen nicht zu blamieren, waren vorbei, berichteten die Innsbrucker Nachrichten. Im Realgymnasium des Typs A, welches acht Jahrgänge umfasste, wurde Latein ab der ersten, und französisch ab der dritten Klasse unterrichtet. Da sich die Lateinklassen somit über alle acht Jahre erstreckten, sei „jede Überbürdung und Bedrohung der Gesundheit der weiblichen Jungend ausgeschlossen“, hielt man im Jahresbericht 1912/13 fest.
Auf dem Photo ist das Lehrerkollegium der höheren Töchterschule aus dem Jahre 1905 zu sehen.
(Stadtmuseum/Stadtarchiv Ph-G-25025)
Aus obigem Text: „Im Realgymnasium des Typs A, welches acht Jahrgänge umfasste, wurde Latein ab der ersten, und Französisch ab der dritten Klasse unterrichtet. Da sich die Lateinklassen somit über alle acht Jahre erstreckten, sei „jede Überbürdung und Bedrohung der Gesundheit der weiblichen Jugend ausgeschlossen“, hielt man im Jahresbericht 1912/13 fest.“
Ich durfte im Schuljahr 1946 / 47 die erste Klasse ebenfalls des Realgymnasiums (also nicht des humanistischen Gymnasiums) besuchen, natürlich nicht in der Sillgasse bei den Mädchen, sondern in der Angerzellgasse bei den Buben! Auch wir hatten schon ab dem ersten Jahrgang Latein, im dritten konnten wir wählen zwischen Englisch und Französisch. Ich nahm Englisch, Französisch musste, so hieß es, auf Anordnung der französischen Besatzungsmacht in den Lehrplan aufgenommen werden,
Nach der vierten Klasse war anscheinend „meine Überbürdung und Bedrohung der Gesundheit“ durch Latein trotzdem schon zu groß, obwohl ich nicht der weiblichen Jugend angehörte – man schickte mich auf die Gewerbeschule in die Anichstraße, der heutigen HTL!
Dieses erste Schuljahr war geprägt vom mühsamen Wiederbeginn nach dem Krieg! Es gab nichts – Schreibmaterial und Hefte waren Mangelware, Schulbücher aus den Jahren zuvor konnten nicht mehr verwendet werden! Professoren waren noch in Kriegsgefangenschaft, viele durften wegen ihrer Vergangenheit nicht unterrichten – eine schwierige Zeit! Die Tyrolia brachte schon 1945 „Lehrhefte“ für Geschichte, Naturgeschichte etc. heraus, Autoren waren schuleigene Professoren. Der Liber Latinus I war sogar vom damaligen Direktor, dem Dr. Franz Rohracher (Bruder des Salzburger Erzbischofs) verfasst worden. Den habe ich sogar noch – allerdings auf Grund der damaligen Qualität des Materials ziemlich zerzaust!