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Archivding Der Woche

Archivding der Woche

Unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen fiel mir bei einem stadtarchivarischen Altjahresputz das obige Ding in die Hände. Etwa 19,5 x 10,5 x 6,5 cm groß, ein Holzgriff mit fast hammerförmigem Metallaufsatz, auf der einen Seite eine Gummirolle, auf der gegenüberliegenden ein mit einer Kappe verschließbares Pölsterchen. In der Mitte ober dem Stiel röhrenförmig mit zwei transparenten Verschlüssen, die man wohl abschrauben könnte. Diese tragen das Firmenlogo RENA, das am Kopf durch den Zusatz „Hekto-Copie“ ergänzt wird. Bringt das des Rätsels Lösung?

Schnelles googeln nach „RENA“ führt zu einem 2004 gegründeten Unternehmen „für innovative metallische Funktionsoberflächen“. Wohl eher nicht. Und die Eingabe von „Hektokopie“ führt pfeilgerade zur Rektoskopie. Nein danke.

Irgendwie, ich weiß nicht wie, bin ich dann noch bei der Hektografie gelandet (leicht ist das nicht). So werden „Umdruck-Verfahren bezeichnet, mit denen Schriftstücke ohne Anwendung einer Presse, sondern mittels einer abfärbenden Vorlage, der Matrize, vervielfältigt werden können. Die Hektografie wurde seit Ende der 1970er Jahre durch die Fotokopie aus dem Alltag verdrängt„, weiß wikipedia. „Allen Verfahren der Hektographie ist gemeinsam, dass eine spezielle Tinte handschriftlich oder von einem Farbblatt oder Farbband […] auf eine meist mit einer besonderen Gelatinemischung beschichtete Unterlage übertragen wird. Von dieser werden dann mittels verschiedener Verfahren Abzüge auf saugfähiges Papier hergestellt.

Das klingt schon passender. Aber der Sinn und Zweck und die Verwendung dieses Archivdings erschließt sich mir noch immer nicht. Wer kann mich erleuchten?

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Re-1122)

Dieser Beitrag hat 17 Kommentare
  1. Ich vermute das Gerät hat was mit Druck zu tun.
    In die Dose wird die Druckfarbe eingefüllt welche sich auf der Walze verteilt.
    Wie die Farbüberagung auf die Walze erfolgt entzieht sich meiner Kenntnis.
    Die Farbe wird mit dieser auf das zu Druckende Motiv – Linolschnitt oder gesetzte Buchstaben – dünn aufgetragen.
    Auf diesem kommt dann das Papier drauf und wird mit dem flachen Teil von diesem Gerät festgerieben.

  2. Habe noch eine Idee:
    Es könnte sich bei diesem Gerät um einen Beschrifter mittels Schablonen für Kisten – Vorsicht Glas oder Fragile etc. – bei Speditionen oder Firmen handeln.
    Dient der flache Teil ev. nur zum Abstellen von diesem Gerät?
    Bin gespannt auf die Lösung von diesem Rätsel

  3. Dreimal fotografiert und auf keiner Aufnahme sieht man so richtig die Funktion der Rolle. Walzen ohne Farbkontakt scheint das zweite Bild zu verraten. Und das Kastl? Da wird vielleicht das kleine Kissen(?) zum farbgebenden Einsatz kommen. Und das Kastl ist ein Deckel. Und dazu eine Handhabe wie eine Wikingerkeule, deren Festigkeit man beim Einsatz der Rolle brauchen konnte.
    Ein Farbtupfrollhammer.
    Erleuchtung: Meine geliebten Latein und Griechischschularbeitenzettel „hektogrphierte“ der in diesen Sprachen sprechende und vor allem prüfende Dr. Gstader mit 30 fachem tschlagg tchlagg tschlag tschlag und verteilte die Zettel an die dem Kommenden bang entgegenblickenden Schöler.
    Hektographieren = hundertmal schreiben. Hundertmal hieß in der dumben Antike bereits unendlich oft.

    1. Dr. Gstader, brrrrrr – er war die Ursache, dass ich am Bau landete! Für die Aufnahme in die Gewerbeschule konnte man einen Fünfer in Latein haben – und das hatte ich zum Abschluss der vierten Klasse Realgymnasium! Anmerkung: Wir hatten damals, im Schuljahr 1946 / 47, auch im Realgymnasium bereits ab der ersten Klasse Latein, ab der dritten Klasse Englisch oder Französisch dazu. Ich genoss also den Gstader vier Jahre lang, noch dazu immer auch als Klassenvorstand!

      1. Dann sind wir Schicksalsgenossen…nur hab ich statt einer lebenden Sprache ab der 3. Klasse auch noch Altgriechisch lernen müssen. Hab ich jetzt für die Übersetzung von Hektographie brauchen können. Wie nützlich.

  4. Ich würde meinen, RENA hat etwas mit kleben zu tun.

    Man gibt in den Behälter einen flüssigen Klebstoff und mit der Rolle kann man den dannn vielfach (z. B. für Massensendungen) auftragen ….

  5. Kleben stat hektographieren ist auch möglich. Wenn ich die Beamten in der Haupt- und sonstwopost nicht schon pinseln gesehen hätte, hätte ich sie als Operateure des sonderbaren Gegenstandes angesehen. Wäre aber umständlich, zuerst den Leim da hineinzufüllen, und dann aufzuwalzen. Und was macht das Fetzele im Kastl?

    Ich glaub aber doch eher, dass das eine ad hoc Variante der stationären Spiritusmatrizenmaschine ist. So für die Beschriftung von Kistenzetteln und sonstigen Gelegenheiten, wo man mit dem Gerät zu Papier kommt anstatt umgekehrt beim Dr. Gstader.

    Bin schon neugierig, mit welchem Kracher es meine Phantasievorstellung z’reisst…

  6. Das Gerät ist eine „RENA Adressette“ – ein Adressiergerät von Rena Büromaschinenfabrik in Deisenhofen bei München.

    https://www.sammlermarkt-nord.net/ausruestung-sonstiges-1925-45/sonstiges/rena-adressette-adressiergeraet-in-original-kiste-drp.html?language=de
    Bild von der Betriebsanleitung: https://www.sammlermarkt-nord.net/images/thumbnail/produkte/large/P4640620.jpg
    https://www.ebay.de/itm/335473772578

    Das vorliegende Exemplat wurde der Aufschrift „DRP“ (= Deutsches ReichsPatent) nach vor 1945 hergestellt, ähnliche Geräte gabs offenbar bis in die 1960er:
    https://www.ebay.de/itm/362295085614
    https://www.ebay.at/itm/251051372979

  7. Danke Herr Rangger für ihre Aufklärung.
    Mich würde interessieren wie das Ding funktionierte. Leider ist das Manual nicht zu entziffern.
    Klebstoff in der Dose mit der Walze auftragen OK – aber wo sind die Adressen untergebracht ev. in dem Flachen Teil.
    Musste man die Adressen bei der Fa. Rena bestellen und dann das Adressenpaket in den Halter einfüllen.
    Gerät diente verm. zur Adressierung von Massensendungen wie Mitteilungen von Vereinen an ihre Mitglieder oder Institutionen wie Banken an ihre Kunden.
    Heute macht man das mit dem PC und Drucker …………….

    1. Das Ganze scheint eine Spezialform der Hektografie gewesen zu sein, speziell um Adressen einfach vervielfältigen zu können.
      Im Internet finden sich auch Werbeanzeigen in alten Ärztezeitungen in denen speziell der Einsatz für die Patientendaten in Ärztepraxen angepreisen wird.

      Die Adresskarten wurden in einem Karteikasten aufbewahrt.
      Eine Adresskarte mit einer einzelnen Adresse wurde entnommen und in den Adressrahmen eingelegt oder eingespannt.

      In die Trommel wurde eine dünne Flüssigkeit namens RENIN (eine Art Spiritus?) in die Adressette eingefüllt und über eine Gummiwalze auf das Adressfeld aufgetragen und dann offenbar auf das Kuvert oder Schriftstück „durchgeschrieben“.

      Noch ein paar Links zu Ebayauktionen bei denen auch einiges Zubehör zu sehen ist:
      https://www.ebay.de/itm/293680531815
      https://www.ebay.de/itm/295602416540
      https://www.ebay.de/itm/141980889765

    2. Das Ganze scheint eine Spezialform der Hektografie gewesen zu sein, speziell um Adressen einfach vervielfältigen zu können.
      Im Internet finden sich auch Werbeanzeigen in alten Ärztezeitungen in denen speziell der Einsatz für die Patientendaten in Ärztepraxen angepriesen wird.

      Die Adresskarten wurden in einem Karteikasten aufbewahrt.
      Eine Adresskarte mit einer einzelnen Adresse wurde entnommen und in den Adressrahmen eingelegt oder eingespannt.

      In die Trommel wurde eine dünne Flüssigkeit namens RENIN (Spiritus?) in die Adressette eingefüllt und über eine Gummiwalze auf das Adressfeld aufgetragen und dann offenbar auf das Kuvert oder Schriftstück „durchgeschrieben“.

      Noch ein paar Links zu Ebayauktionen bei denen auch einiges Zubehör zu sehen ist:
      https://www.ebay.de/itm/293680531815
      https://www.ebay.de/itm/295602416540
      https://www.ebay.de/itm/141980889765

      …zweiter Versuch…

  8. Bin grad dabei, mir mit einer Photoshop verschärften Variante das Auge zu verbiegen. Jedenfalls hat man mit Blaupapier und Schreibmaschine die Adressen „wie einen Brief“ geschrieben und dann mit in den Mundwinkel gepreßter Zunge präzis in eine Schablone geschoben.
    Der zweite Arbeitsabschnitt ist das Befüllen des kleinen Tanks wobei der Filz nur leicht feucht sein durfte.
    Rest folgt.

  9. Also es geht folgendermaßen:

    Man spannt einen Bogen Papier zusammen mit einem Blaupapier in die Schreibmaschine. Dabei legt man das Blaupapier im Gegensatz zu Kopierzwecken mit der Farbseite auf das Schreibpapier und erzeugt dadurch beim Eintippen der Adresse die selbe in Spiegelschrift auf der Rückseite des Schreibpapiers.
    Dann die Adressen so zurechtschneiden, dass sie genau in die Schablone passen (Achtung, keine Wölbung zulassen!)
    Jetzt kommt die eigentliche Arbeit: Man befeuchtet den zu bedruckenden leeren Zettel mit demaus dem Tank (Spirizus, nehm ich an) feuchten Filz (Achtung, nicht ZU feucht!) und legt den Zettel auf die Spiegelschrift Blaupause.
    Jetzt noch mit der Miniwalze drüberradeln und voilá!
    Ad infinintum. Oder Hektomal.

  10. Schönen guten Montag! Herzlichen Dank für all die Erklärungen und Links. Ich muss gestehen, so ganz habe ich es noch immer nicht verstanden. Ist jetzt der einzige Effekt, dass man Kuverts und Schriftstücke nicht in die Schreibmaschine einspannen musste? Oder konnte man einmal getippte Adressen dann x-mal aufdrucken (wenn ja wozu)? Und wie kann man die Schablone überhaupt wiederverwenden?

    1. Lieber Herr Bürgschwentner, das Ding stammt eben noch aus der für uns schon unverständlich gewordenen mechanistischen Welt. Auch aus der Art, wie die Gebrauchsanweisung geschrieben ist, kann man schließen, dass da manches als selbstverständliches Wissen vorausgesetzt wird worüber wir schon grübeln müssen.
      Ich glaube, gerade das „einfach in die Schreibmaschine spannen“ ist damals garnicht so einfach gewesen. Die Schreibmaschine stand vielleicht in einem ganz anderen Raum, mit einer mit Underwood bedruckten Haube zugedeckt, außerdem konnte nicht jeder, der grad schnell einen Adresszettel aufkleben oder beifügen wollte, damit umgehen. Außerdem wäre dann jedesmal ein Blatt Schreibmaschinenpapier verschwendet worden.
      So hatte man eine kleinen Zettelvorrat, den man noch ergänzen konnte solange die Farbe durch den Geheimspiritus noch reaktiviert werden konnte. Wie lange und wie oft die Blaupause verwendbar war weiß ich natürlich auch nicht.

      Die Schablone scheint anscheinend auf dem Weg ins Stadtarchiv verloren gegangen zu sein. Es muß sich dabei im Prinzip um ein ähnliches Teil gehandelt haben, wie man es auf Karteikästen findet, wo man dann Zettel mit der Info zum Karteikasteninhalt (Kapellen, Madonnen, Thien, etc.) einschieben konnte. Die Rena-Schablone war laut Beschreibung recht robust und nahm den zu bedruckenden Zettel mit einer Art Schiene auf, mit der Warnung, die Größe des Zettels darauf abzustimmen und denselben nicht so irgendwie hineinzumurksen, wie ich es vermutlich gemacht hätte.
      Ja, und dann Spiritus draufreiben, Blaupause drauflegen (Farbe nach unten 😉 ) – radel radel walz walz – fertig. Machte wohl der an Schreibmaschinen ungeschulte Lehrbub oder -madel.

  11. DANKE Herr Rangger für die Aufklärung. Mir ist die Funktion von diesem Gerät soweit klar.
    Man müsste das einmal in Betrieb sehen. Am Bild vom Stadtarchiv fehlen wichtige Teile.

    1. Gerne!

      Wenn ihre Neugier so groß ist, bei den meisten der von mir verlinkten Angeboten ist man um max. 30,- EUR dabei.
      Dann können Sie experimentieren soviel Sie wollen. 😉

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