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Ein Böser Mensch II

Ein böser Mensch II

Wir haben kürzlich schon von Abgründen der menschlichen Seele berichten müssen. Wir hatten die Hoffnung, dass Läuterung eintritt und sich der verirrte, böse Mensch sich bekehren würde. Allein, es schaut nicht so aus. Wieder hat er den Text weggestempelt und fragt dann noch blöd:

„Wo sind wir denn da?“

Wir versprechen, wir lassen diesen bösen Menschen nicht mehr zu Wort kommen…

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signatur: So-34-46)

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare
  1. Schönes Bild! Interessant ist auch, wie die Südfassade durchgehend konzipiert war; offenbar hatte das Eckhaus vorne mit dem Kiosk einen Bombentreffer erlitten, denn nach 45 schaute es anders aus. Schade, dass die ganze Häuserzeile inzwischen abgerissen ist. Dabei wurde der Südfassade dieses Blocks Erhaltungswürdigkeit zugesprochen…
    Wie verlief eigentlich damals die Straßenbahn? Es sind hier keine Schienen zu erkennen…

  2. Scheint sich tatsächlich um die schöne Wohnanlage Egger-Lienzstrasse vom Westbahnhof Richtung Grassmayrkreuzung zu handeln. Wo sind nur all die schönen Bäume geblieben, wohl dem Strassenbahndamm gewichen. Die neuen Verbauungspläne sind davor auf dem Sperrzaun zu besichtigen, gleich wuchtig, wie die neue Anlage bei der ehem. Tankstelle beim Cineplexxx.
    dieser Abschnitt des Südringes ist inzwischen ein Geheimtipp für private Autorennen, besonders nachts….

  3. Das also war der Kiosk der Frau Reis, geb. Corona, Andreas-Hofer-Str.53/2.Stock – und deshalb haben mir die größeren Kinder bald nach unserem Einzug im Hof geflüstert „Des isch die Frau Milch-Reis, weil dee hat a Standl g’habt an der Eggen zur Egger-Lienz-Straßn, bis die Bomben kemmen sein…“
    Die Frau Reis, geb. Corona, war gebürtig aus Caoria im (in heutiger Diktion) Trentino, aber schon als Kind mit Eltern und Geschwistern nach Vorarlberg gekommen. Ob ihr verstorbener Mann ein Vorarlberger gewesen war, konnte keiner mehr beantworten. Jedenfalls sei sie als verhältnismäßig junge Witwe mit mehreren Kindern froh gewesen, diesen Milchverkauf als „Zubrot“ zu haben.
    Als ich sie kennenlernte, war sie schon Diabetikerin – und ihr Augenlicht verschlechterte sich mehr und mehr.
    Sie saß nacvhmittags gerne auf der Bank an der Westwand der Waschküchenzeile im Hof. Ich hör sie heute noch wettern über „…dee Fackeler, dee Nudianer, da in Kranebittn außn… daß si dee nit schamen! Dees tuat ma decht n it, so nackerter ummarennen – und nacha wundern sie sich! Grausen kannt oan, pfui Teifl“
    Und zu uns „…wiaso kicherts es da?“ „Ja, wegen dem Wort Nudianer, Frau Reis“ „Ja, dee hoaßn aso, weil sie nix anhaben, des kimmt vom Wort NUDO und des hoaßt nacvkert“
    Ja, die Sprache der Kindheit. O, das hat mir wohlgetan!
    Ihr Sohn Eugen, der bei ihr wohnte, „pickte“ jeden Tag die „Arbeiterzeitung“ auf die eine Holztafel am Zaun bei der Tramwayhaltestelle stadteinwärts.
    (Die andere Tafel war der „Volksstimme“ vorbehalten und wurde von Frau Thusnelda Bucher oder Pucher betreut, ihr Mann Romed half so alle heiligen Zeiten beim Abkratzen der dicken Zeitungsschichten vom Holzbrett)
    Aber zurück zur Frau Reis: Sie war die Mutter der National- und späteren Bundesrätin Maria Hagleitner und somit Groß-mutter der Zwillinge Irmgard und Lore.
    Dann gabs noch eine andere Enkelin, das „Reis-Mizzele“, welche ebenfalls oft die Oma besuchen kam.
    Jedenfalls war Frau Reis keineswegs Atheistin – wenn auch keine Kirchgängerin, weil sie dem diesbezüglichen „Bodenpersonal Gottes“ schon damals mißtrauisch gegenüberstand….
    Dann gabs noch ihren Bruder, den „Herrn Corona“, der seine Schwester gerne besuchen kam und viel Humor und Heiterkeit verbreitete. Bei wem?
    Ja, bei den Hausfrauen natürlich, die in der warmen Jahreszeit gleich nach dem mittäglichen „Abspülen und Auraamen“ mit ihrer Näh- und Strickarbeit am Bankl saßen – damit sie überhaupt an die Luft kamen, außer bei den eiligen Einkäufen…
    Und weil wir schon bei den Näharbeiten sind: Die Kinderkleider zuschneiden ließen sich die Frauen beim „Bund demokratischer Frauen Österreichs“ an der Ecke A.-Hofer-Str. – Stafflerstraße?
    Wer da dahinter stand? Ist doch ganz logisch!!! „Bund“ klingt „schwarz“, „demokratisch“ klingt „rot“ – also waren es – natürlich!- die Kommunist(in)nen. Gratis!
    Am Mittwoch, denn da war Nähberatung, standen die Frauen in einer langen Schlange an.
    Und je besser die Zeiten wurden, desto kürzer wurde die Schlange … bis jede sagte: „Da kimmts mir billiger, wenn i’s kaff!“

    „Gar leychtiglich geht alle Kunst verlooren“ hab ich als Ausspruch irgend eines alten Künstlers in irgend einem ausgeliehenen Buch gelesen.
    Ich sage: „Da hatte der Mann Recht!“

    1. So toll, Frau Stepanek, wie Sie das damalige Leben in Ihrem Wiltener Umfeld schildern! Man sieht grad einen Film vor seinem geistigen Auge ablaufen. Und längst vergessene Bilder tauchen wieder auf, wie das Einfüllen der Milch in die mitgebrachte Kanne mithilfe eines Hohlmaßes mit langem Henkel (Ihr Kommentar zum Beitrag „Heute garantiert tödlich!“). An Schnittmarmelade kann ich mich nicht erinnern, aber sofort waren noch ein paar weitere Bilder da, wie das der Pumpe, mit der die Milch zuerst hochgepumpt werden musste (ähnlich einer Zweitaktzapfsäule), und das der Gläser, in denen man Fru-Fru und Joghurt verkauft hat. Gläser mit gewachsten Kartondeckeln als Verschluss. Fru-Fru mit roter Aufschrift, Joghurt mit blauer, den Schriftzug sehe ich noch genau vor mir. Jeweils eine (!) Sorte. Ich habe gleich in Gedanken einen Gang durch den Lebensmittelladen meiner Kindheit gemacht und dabei versucht, mir die Gesichter und Namen der Verkäuferinnen ins Gedächtnis zu rufen. Vielen Dank für diesen Schubs zurück, Frau Stepanek! Ich will mich mit ein paar ergänzenden Daten bei Ihnen revanchieren.

      „Ihre“ Frau Reis wurde am 1. April 1881 in Bürs, Bezirk Bludenz geboren und auf den schönen Namen Maria Libera getauft. Ihre Eltern, Joseph Corona und Maria geb. Sperandio sind aus Caoria, einer Fraktion der Talgemeinschaft Primiero zugewandert. Ihr späterer Ehemann Andreas Emil Reis kam lt. Taufbuch Bludenz am 26. 7. 1878 in Bludenz zur Welt (im Traubuch ist allerdings Hohenems als Geburtsort angegeben). Die Trauung der beiden fand am 11. April 1904 in der Wiltener Basilika statt, für den 10. 4. ist in Bürs ebenfalls eine eingetragen. Tochter Maria wurde am 24. September 1907 in Bludenz geboren, zu dem von Ihnen erwähnten Sohn Eugen oder weiteren Kindern konnte ich bislang keinen Geburts-Eintrag finden. Der Staatsbahnbedienstete Emil Reis ist in den Adressbüchern von 1909 – 1925 durchgehend vermerkt mit den Adressen Staatsbahnstraße, Sonnenburgstraße und zuletzt Andreas-Hofer-Straße 53. Er verstarb 47-jährig während eines Spazierganges in Lans am 24. August 1925 an einem Schlaganfall. Frau Reis wurde nach 21 Ehejahren im Alter von 44 Jahren Witwe.

      Von 1926 bis 1957 ist dann sie in den AB mit der Anschrift A.-Hofer-Str. 53 vermerkt. Im AB von 1964 scheint Frau Reis nicht mehr auf, d. h. sie muss wohl zwischen 1957 und 1964 verstorben sein. Sterbebücher und Zeitungen für diesen Zeitraum sind noch nicht freigegeben. Im Index vom Totenbuch der Pfarre St. Jakob ist als Sterbedatum einer Frau Maria Reiß der 27. August 1965 vermerkt, das Buch selbst ist noch nicht zugänglich. Sollte es sich bei dieser Frau „Maria Reiß“ um Ihre ehemalige Nachbarin handeln, dann wäre sie 84 Jahre alt geworden.

      Zum Schluss etwas eigentlich Tröstliches, Ihr Zitat betreffend. Der geniale Albrecht Dürer hat dazu noch mehr gesagt: „Gar leichtlich verlieren sich die Künst’, aber schwerlich und durch lange Zeit werden sie wieder erfunden.“ Das gibt doch auch Anlass zur Hoffnung, finde ich.

    2. UU

      Eugen, der Sohn der Frau „Milch“Reis, hat verhältnismäßig spät geheiratet. Eine sehr nette Frau, die Anni.
      Und ein paar Jahre später lief „die“ Hausmeisterin des Hofes (sie war wirklich „die Seele des Hofes“) herum und rief jedem zu (und auch zu unserer Wohnungstüre herein):
      „Der Eugen hat an Buam!
      Der Eugen hat an Buam! Und mir hamm allweil gmoant, er bringt nix zamm!“
      Und wenn ich jetzt die ganze Gemeinde von „Innsbruck erinnert“ zutiefst schockiert habe:

      Eine ehrlichere Mitfreude über die Geburt eines neuen Erdenbürgers habe ich nie gehört!

      Von Carlo Goldoni gibts ein Theaterstück „Il Campiello“
      und von einem Schriftsteller namens Emil Ertl einen Roman „Der Neuhäuslhof“ (praktisch dasselbe nach Wien und in die 1. Hälfte des 20. Jhdts. „transponiert“
      und meine Mutter hat mir diesen Roman (Leihbücherei!) in die Hand gedrückt und gesagt „Wie bei uns im Hof…!“
      Nein! Weder der Goldoni noch der Ertl haben eine solche Perle von Hausmeisterin gekannt!

  4. https://photos.app.goo.gl/WhCUVFGDW9Qk7kQN6

    Ja, da sehen Sie jetzt nicht nur ein paar Kinder des Eisenbahnerwohnblocks mit Blickrichtung gegen die Balkone des Stafflerstraße 13, sondern auch noch ein wenig die westliche Stirnwand derWaschküchen und das Ende des Bankls, auf dem die Frau Reis immer so gerne gesessen ist. Ich weiß nicht einmal, ob sie zum Aufnahmezeitpunkt 1955 noch lebte…
    Und daß die Wäscheleinen bei gutem Wetter immer „beflaggt“ waren, ist eh klar.

  5. …..und vielleicht hätte ich noch erwähnen sollen, daß die Schwägerin der Frau Milch – Reis, die Frau ihres Bruders, des Herrn Corona, eine gebporene Öggl war.
    Und so war sie die Schwägerin jener Frau Öggl, die bis zum 15. Dezember 1943, also bis zum ersten Bombenangriff, in der Maximilianstraße 3 unsere unmittelbare Nachbarin war (Vorraum un WC natürlich gemeinsam).
    In Innsbruck „kemmen halt allweil wieder die gleichen Leut z’samm'“!

  6. Vielen, vielen Dank, lb. Frau Stolz, für diese vielen von Ihnen zusammengetragenen Daten über unsere Frau „Milch“-Reis geb. Corona.
    Unter uns, aber bitte nicht weitersagen: Ich erinnere mich an vier Nachbarsmädchen, die mir erklärten, die Frau Reis sei deswegen so rundlich, „weil sie allweilv mitn Zeigefinger oben über die Milch drüberg’fahrn isch – und sich den Rahm nacher vom Finger o’gschleckt“
    Daß die Mutter der 4 damals auch recht rundlich war, hatte einen anderen Grund, derv leider 3 Jahre später traurig endete…
    Ja, die gute alte Vergangenheit – denn man konnte noch hoffnungsvoll in die Zukunft blicken! Es k o n n t e ja nur besser werden.

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