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Der Bilderblog aus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Richard Steidle (XV.)

Richard Steidle (XV.)

Auf dem bereits erwähnten Linzer Parteitag am 3. November 1926 wurde das neue Programm von der SDAP beschlossen. Steidle kommentierte den Parteitag in einem kurzen Artikel im Anzeiger, betitelt „Otto Bauers zweierlei Maß“. Otto Bauer (1881–1938), damals stellvertretender Parteivorsitzender des SDAP, hatte am Parteitag die Schlussrede gehalten, in welcher er das Proletariat anhielt „die politische und wirtschaftliche Demokratie anzustreben, aber auch vor der Diktatur nicht zurückzuschrecken“. Steidle nahm speziell einen Punkt Bauers aufs Korn: In seiner Rede sprach er davon, dass die Bourgeoisie auf die Machtübernahme des Proletariats und die ersten Expropriationen versuchen könnte, „das ganze Wirtschaftswesen lahmzulegen“ (was genau damit gemeint war, führte er nicht aus). Sollte dies eintreten, müsse man zu diktatorischen Mitteln schreiten. Steidle wandte nun ein, dass die Sozialdemokraten eisern das Streikrecht der Arbeiter verteidigten, aber der Bourgeoise dieses Recht nicht zugestanden: „Also zweierlei Maß und zweierlei Recht für dieselbe Tat, je nachdem sie vom „Proletariat“ oder von der „Bourgeoisie“ gesetzt wird.“ Wenig später gab Steidle den Münchner Neuesten Nachrichten ein Interview, in welcher er das aggressivere Auftreten der Heimwehren mit Verweis auf das Linzer Programm rechtfertigte. Neben dem Schutz vor der geplanten Machtübernahme des SDAP zeichnete Steidle eine weitere Aufgabe für die Heimatweheren:

Es handelt sich für die österreichischen Wehrverbände nicht nur um die Bewahrung der bürgerlichen Mittelschichten, sondern vor allem um Gewinnung jener Kreise der Arbeiterschaft, welche nicht aus Überzeugung von der Güte des marxistischen Systems, sondern weil sie entweder vom Bürgertum im Stich gelassen worden sind, oder weil sie unter physischem oder moralischen Zwange der sozialdemokratischen Organisationen sich der Partei zuwenden mussten.

Das Interview schloss mit einer interessanten Erklärung Steidles über das Verhältnis der Heimwehr zum Staat:

Die österreichischen Wehrverbände werden für jede Regierung eintreten, welche den im Gesamtvolke vorhandenen Kräften freien Spielraum zur Entfaltung bietet. Sie werden sich gegen jede Regierung wenden, welche aus Schwäche oder Unfähigkeit Korruption duldet oder Drohungen einer Gruppe – welche immer es sei – keine unabhängige Staatsautorität entgegenzusetzen sucht.

Während er also wie üblich nur von der Verteidigung gegen den Bolschewismus oder die Sozialdemokratie sprach, nahm er sich hier das Recht heraus, gegen jede Regierung (gewaltsamen?) Widerstand zu leisten, die „aus Schwäche oder Unfähigkeit Korruption duldet“. Der Leser kann an dieser Stelle selbst die zahlreichen aufgelegten Witze zum Korruptionsranking unserer Republik einfügen, es genügt wohl festzustellen, dass sich Steidle mit dieser Formulierung das Recht herausnahm, gegen jede nicht genehme Regierung Widerstand zu leisten. Erneut lässt sich hier gut erkennen, wie beide politischen Lager die Demokratie nur noch als ein Instrument sahen, gewünschte Ergebnisse zu erzielen. Sollte sie nicht das erhoffte Resultat liefern, müsse man zu anderen Mitteln greifen.

(Titelbild: Mitgliedskarte der Tiroler Heimwehr, Signatur Ph-A-24522-36-1)

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