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Kein Cordoba

Kein Cordoba

Fest steht, dass es bei der heute beginnenden Fußball-Europameisterschaft kein Cordoba 2.0 geben wird. Erstens, weil sie in der Schweiz stattfindet und zweitens weil Österreich – im Unterschied zu Deutschland – gar nicht dabei ist. Die zwei verlorenen Duelle gegen die Deutschen in der Qualifikation (2:3 und 0:4) waren erwartbar – auch wenn man(n) und frau beim Auftaktmatch vor einem Jahr – 2:0 nach 16 Minuten – kurz von einer Sensation träumen durften. Mehr einem Alptraum glich hingegen die Begegnung vor einem Monat in der Nations League, als es nach 43 Minuten bereits 0:6 stand, gnädigerweise dann auch der Endstand. Auch wenn man da ins Jammern kommen könnte, beim Blick in die Vergangenheit erwiese es sich als Jammern auf hohem Niveau.

Bereits im Juli 1961 trafen die Österreicherinnen nämlich in Wien auf die Deutschen und verloren ebenfalls. Weniger bemerkenswert als das Ergebnis (0:2) sind jedoch die Rahmenbedingungen und die Berichterstattung. Es war dies kein offizielles Ländermatch, denn offiziell gab es weder eine Frauen-Nationalmannschaft noch überhaupt einen organisierten Frauenfußball. Frauenabteilungen in Fußballvereinen waren (sowohl von der FIFA, als auch vom ÖFB) explizit verboten. Notgedrungen gründeten sich deshalb in der Folge eigene Frauenfußballvereine, als einer der ersten 1968 der spätere Serienmeister USC Landhaus Wien; vier Jahre später schrieb der Wiener Fußballverband erstmals seit den 1930er-Jahren wieder eine Meisterschaft im Frauenfußball aus. Im Westen tickten die Uhren fast eine Dekade langsamer. Aber das ist eine andere Geschichte. Die heutige spielt wie gesagt im Jahr 1961, weit vor Vereinsgründungen und Meisterschaften. Schauplatz Wien, ein harmloser „Länderkampf“.

Harmlos!? Mitnichten! Schließlich versuchten sich Frauen im Fußballspiel. Das war für die Männerwelt bereits um 1910 eine gefährliche Zukunftsvision, wie das Titelbild zeigt, und ein halbes Jahrhundert später sah es nicht anders aus. „‚Fußballsäbelnde‘ Damen – muß das wirklich sein?“ fragte die Tiroler Tageszeitung in einem bezeichnenderweise anonym erschienenen und wenig vorteilhaft illustrierten Artikel am 28. Juli 1961 (S. 5).

Wir sind nicht die einzigen, die sich gegen den ‚Frauenfußball‘ wenden„, versichert die TT. „Das Wort allein schon gehörte verboten: Frauenfußball! Bisher haben wir im Zusammenhang mit dem Wort Frau immer noch an anders denken können als an Fußball„. Alle möglichen anderen Sportarten könnten sie ausüben, aber doch nicht Fußball! „Ein Mann fleht euch an: Laßt es sein! […] Fußball – das kleidet keine Frau.“

Es folgen Visionen von Schlägereien auf dem Spielfeld und von Miss-Wahlen, Warnungen, dass Fußball der Schönheit abträglich sei („Laßt es sein. Bleibt, was ihr seid, Frau und Fräulein, und mehr oder minder lieblich anzusehen.„), Beschützerinstinke, wenn dereinst „Halbwüchsige und Lustmolche“ Unflätiges aufs Feld hinaus brüllen würden.

Warum nur verhallte „dieser Appell an die Vernunft erfolglos“? Wahrscheinlich, mutmaßte die TT, spielten die Frauen „justament“ Fußball: „Wahrscheinlich deshalb, weil es ein Mann im Namen fast aller Männer nicht wollte, daß sie spielen!

Deshalb appellierten die letzten Zeilen an die Frauen: „Frauen, die ihr nicht Fußball spielt, hindert eure torschuß- und foulhungrigen Artgenossinen an der Ausübung eines Sportzweiges, den nicht einmal alle Männer, die ihm verfallen sind, beherrschen …

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Außer ein großer Respekt und ein Danke an alle Mädchen und Frauen, die seit den 1950er-Jahren bis heute allen Anfeindungen, Vorurteilen und Geringschätzung zum Trotz ihrer Leidenschaft nachgehen. (Und ein Dank auch an alle, die sie fördern). Natürlich würde sich heute jedes ernstzunehmende Medium hüten, derartiges von sich zu geben, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass so manches Mit-Glied des „stärkeren Geschlechts“ immer noch Meinungen hegt, die nicht so weit vom Inhalt des Artikels entfernt liegen.

Ich lade deshalb dazu ein, dieser Tage ab und zu den Fernseher einzuschalten, und sich bei der Europameisterschaft der Frauen davon zu überzeugen, dass Ihnen alles andere als eine „Fußballsäbelei“ geboten wird. Abschließend auch noch ein Fernsehtipp für die Sportgeschichtsinteressierten: Am Freitag um 23:15 zeigt der ZDF eine neue Dokumentation mit dem Titel „Mädchen können kein Fußball spielen“.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Slg. Sommer, Bd. 8, Nr. 100)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Wie verbietet man ein verbotenes Wort, wenn man’s doch nicht verlauten lassen darf? [Vgl.: „Er hat Jehova gesagt! Er hat Jehova gesagt! aus: Leben des Brian]

  2. Gehn’s Herr Bürgschwendter, bitte gönnen’s uns doch das Titelbild im Vollbildmodus. Sonst vermuten wir noch Jugendverbotenes auf der linken Seite.

    Auf dem Wacker Platz in der Wiesengasse gab es Mitte der 60er einmal ein von Frauen gespieltes Fußballspiel. Bin zufällig mit dem Moped vorbeigeplärrt – hoppla! – gaffen gegangen. Es sind mir keine Auswüchse, weder auf noch neben dem Spielfeld in Erinnerung, der Beichtstuhl blieb unbenutzt. Und in einem Cafè (Triumph?) stand einmal ein Juxpokal herum, den sich die weiblichen Gäste und Bedienerinnen gegen ein anderes Cafe erkickt haben. Lange her. Und vielleicht jenes, das ich am Wackerplatz bestaunt habe.

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