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Brandstifter Am Werk

Brandstifter am Werk

Heute begleiten wir Richard Müller (1884-1957) noch einmal zum Schauplatz eines Großbrandes. Am 23. Jänner 1915, einem grauen Wintertag, schlugen kurz nach 7:00 Uhr früh „plötzliche hohe Flammen“ aus dem Dachstuhl der Tuchfabrik Franz Bauer’s Söhne in Mühlau. „In der Fabriksanlage war wohl eine Feuerlöschanlage primitiver Art, die sofort in Tätigkeit gesetzt wurde, die Schläuche aber waren zumeist unbrauchbar, der Druck des Wassers ungenügend, die Ausdehnung des Brandes zu hindern.“

Während die Werksfeuerwehr sogleich in Aktion trat, gestaltete sich die Alarmierung weiterer Krräfte nicht ganz einfach: „Dichter Nebel erschwerte den Ausblick auf die Nachbargebäude und zudem war auch die Zeit dadurch ungünstig, indem die Sturmrufe der Kirchenglocken vielfach als das ‚Zusammenläuten‘ zur Schulmesse vermeint wurde.“ Dieser Irrtum klärte sich jedoch rasch auf und die Freiwillige Feuerwehr Mühlau eilte zum Brandobjekt. Auch die 3. Kompanie (St. Nikolaus) und die 5. Kompanie (Pradl) der FF Innsbruck, die Innsbrucker Berufsfeuerwehr, die FF Arzl und eine Abteilung Kaiserjäger rückte nach Mühlau aus. Beim Eintreffen stand der Dachstuhl in Vollbrand. Für die Einsatzkräfte begann ein schwieriger Einsatz:

Unsere [gemeint ist die FF Mühlau] große Magirusschubleiter wurde an der Südwestecke der Fabrik aufgestellt, bo wo aus sofort ein mächtiger Wasserstrahl in den brennenden Dachboden geleitet wurde. Ebenso wurden von der an der Westseite eingebauten Fabrikssteigleiter ein Wasserstrahl in den brennenden Dachstuhl entsendet. Unsere kleinere Schubleiter wurde hingegen an der Ostseite aufgestellt, die Spritze an der gleichen Seite am Fabrikskanal, und mit 2 Druckschläuchen der Brandherd von dieser Seite angegriffen. Die Fabrikshydrantenanlage funktionierte leider wieder nicht, trotzdem [wir] in den letzteren Jahren durch Übungen diesen Umstand gesehen, und die Fabriksunternehmung auf bessere Einhaltung ihrer Löscheinrichtung aufmerksam machten. Der Unterflurhydrant im großen Hofraum funktionierte anfangs, mußte aber bald wegen zu schwacher Wasserkraft vom Löschbetriebe ausgeschalten werden, und so hingen sämtliche zahlreiche Wasserstrahlen, ausschließlich jener der Mühlauer und später der Arzler Spritze, vom Innsbrucker Wasserrohrleitungsnetz ab. […]
In nicht mehr langer Zeit langten auch die Feuerwehren der Nachbarsorte [sic] ein: die städtische Berufsfeuerwehr aus Innsbruck erschien mit der drehbaren Magirusleiter, obwohl diese städtische Einrichtung laut Statut niemals außerhalb der Stadtgrenzen in Verwendung kommt. Über persönliche Requisition des Herrn Bürgermeisters Greil mußte auch die städtische Feuerwache [= Berufsfeuerwehr] zu diesem Fabriksbrande ausrücken, was wir nur dankbar anerkennen können.
Die 3. Kompagnie (St. Nikolaus) der freiw. Innsbrucker Wehr u. die 5. Komp. (Pradl) erschienen mit Maschinleitern und Schlauchwägen, letztere sogar mit ihrer Spritze, dann auch Abteilungen der anderen Löschzüge Innsbrucks mit Hydrantenwägen und Schlauchmaterial. Auch die Freiw. Feuerwehr-Rettungsabteilung von Innsbruck war mit Ambulanz am Brandplatze in kameradschaftlicher Weise erschienen, und soll einige kleine Verletzungen der Hilfe leistenden Mannschaft verbunden haben. Unsere Nachbarwehr Arzl war nicht die letzte, welche mit ihrer Spritze herbeigeeilt und an der Ostseite der Fabrik Aufstellung nahm und das ihrige beitrug, das wütend um sich schlagende Feuer einzudämmen. Mit vereinten Kräften gelang es unseren Braven und ihren Mithelfern den grausig aussehenden Fabriksbrand nach fast 2 Stunden mühevoller Arbeit niederzuringen, was allseitige Anerkennung fand. Bei 15 Schlauchlinien waren nötig, um genügendes Löschwasser [heranzuschaffen], um dem von Papierfetzen, Wollvorräten u. öligen Maschinen genährten Feuer beizukommen.

Auf dieser Aufnahme ist der zerstörte Dachstuhl gut zu erkennen.

Gegen 11:00 Uhr konnten die von auswärts herbeigeeilten Feuerwehren wieder abrücken, während die Männer der FF Mühlau noch bis in die Nachmittagsstunden mit den Aufräumarbeiten beschäftigt waren. Zwar war es den Einsatzkräften gelungen, das Fabriksgebäude zu retten. Der Sachschaden war aber dennoch beträchlich. Er wurde auf 60.000 Kronen (rund 260.000 Euro) geschätzt. Mit Blick auf die Brandursache heißt es im Tätigkeitsbucht der Feuerwehr Mühlau:

Über die Entstehungsursache dieses bedeutenden Schadenfeuers waren anfangs verschiedene Gerüchte im Umlauf, z.B. Heißlaufen des Motors neben dem Aufzugsschacht, Entzüdung durch die Dampfheizung, Selbstentzüdung der Wolle, und verschiedene andere Annahmen hörte man da und dort, bis die sofort angestrebte gerichtliche Untersuchung ein Resultat zeitigte, welches wohl ein Trauriges genannt werden muß. Der Schreiber dieser Zeilen fühlt sich zwar nicht berufen den Namen dieses unseligen Menschen für dauernde Zeiten in diesem Buche festzuhalten, es wäre wohl genügend auf den traurigen Umstand hinzuweisen daß, ein wahrscheinlich durch Romane und dergl. Lektüre verdorbener junger Mann, in seinen wilden Zukunftsplänen der Folge seiner Freveltat wohl nicht bewußt war. Ein junger Hilfsarbeiter, der Sohn eines bei der Firma Baur angestellten Spinnmeisters, glaubte seinem Wunsche [gemäß], bei der deutschen [sic!] Armee erst dann eingereiht werden zu können, wenn er die Fabrik in Brand lege, und dadurch brotlos werde, hat seinem wilden Traum leider zur Tatsache gemacht. Erst anfangs wiederholt leugnend, durch verschiedene Zeugen überwiesen [sic], in Untersuchungshaft abgeführt, gestand der kaum 17jährige Bursche, endlich durch Seelenqualen übermannt, seine frevelhafte Tat, und legte ein umfassendes Geständnis in die Hand seines Untersuchungsrichters Dr. Oberhueber ab.

Richard Müller gelang es auch auf dem zerstörten Dachboden zu fotografieren.

(StAI, RM-PL-1329, RM-PL-1330, RM-PL-1333 sowie Archiv der FF Mühlau)

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Liest sich ja spannend wie ein Krimi. Was da alles schiefgegangen ist, angefangen von der Verwechslung des Sturmläutens mit dem Ruf zum Gottesdienst, gefolgt vom Totalversagen der Betriebshydranten. Und die Fabrik konnte trotzdem gerettet werden. Auch Dank der vorauseilenden Eingemeindung durch die Innsbrucker Drehleiter.
    Und dann die Auflösung des Krimis! Wäre er von einem Romanschreiber verfaßt worden, hätte man die Lösung als an den Haaren herbei gezerrt betrachtet. Den Arbeitsplatz anzünden, damit man zum Militär darf. Und das im Kriegsjahr 1915, als vielen schon dämmerte, dass der Beruf des Soldaten ein schlecht gewählter gewesen sein könnte.

    Beeindruckend der bald, vielleicht am selben Tag, wieder rauchende (und wie!) Fabrikschlot. Das markante Häuschen auf Dachbodenniveau wird den als Brandquelle ausgeschlossenen Aufzugmotor geschützt haben.

    Interessant der verlinkte reich bebilderte Bericht über die Pradler Feuerwehr, ich muß wirklich einmal die alten Beiträge alle nachlesen. Laut der dort angeführten Einsatzhistorie dauerte es mehr als ein halbes Jahrhundert, ehe die Pradler Feuerwehr einen Brand im eigenen Dorf löschen mußte. Und dann gleich ein Gasthaus. Schnell!

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