Ehetragödie am Lanser See. (Teil 1: Der Vorfall)
Großes mediales Aufsehen erregte ein Vorfall, der sich am 6. Juni 1926 in der Mittagszeit am Lanser See ereignet hatte. Olga Purlein schoss mit einer Pistole auf ihren Mann Johann Purlein und verletzte ihn dabei in der rechten Schultergegend. Doch was hatte zu dieser Tat geführt? Handelte es sich um eine Eifersuchtsdrama? Gab es in der Ehe etwa finanzielle Probleme? Oder gab es ganz andere Gründe, die zu dieser Tat geführt hatten?
Bis zum Prozess, der vom 24. bis zum 25. November 1926 in Innsbruck stattfand, erschienen in verschiedenen österreichischen Zeitungen immer wieder Artikel, die sich mehr oder weniger seriös mit dem Vorfall beschäftigten. So wurden zum Beispiel in den Innsbrucker Nachrichten vom 8. Juni 1926 in einem ausführlichen Artikel nicht nur die Aussagen eines Augenzeugen, sondern auch zahlreiche Vermutungen, die der Bekanntenkreis des Opfers zur Vorgeschichte der Tat äußerte, veröffentlicht: So soll Frau Purlein zum Zeitpunkt der Tat „unfreiwillig“ getrennt von ihrem Mann gelebt haben und versucht haben, sich ihrem Mann – scheinbar erfolglos – wieder anzunähern. Außerdem soll Frau Purlein unter finanziellen Schwierigkeiten gelitten haben, da das von ihr betriebene Trödelgeschäft in der Mentlgasse 11 pleite gegangen war.
In den Innsbrucker Nachrichten vom 8. Juni 1926 wurde aber auch folgender Bericht der Gendarmerie, die Frau Purlein nach der Tat festnahm, veröffentlicht: „Am Sonntag, den 6. d. M., zirka um halb 1 Uhr nachmittags traf die Tierarztensgattin Olga Purlein aus Innsbruck am Lansersee im Familienbad ihren Gatten Johann Purlein mit seiner Freundin, der 15½ jährigen Kapitänstochter Irene H. aus Innsbruck. Da Frau Purlein – während sie ihren Gatten mit der Geliebten beobachtete – wahrzunehmen glaubte, daß sie von der H. ausgelacht und verhöhnt werde, stand sie in ihrer Erregung von der Bank auf und gab auf ihren Gatten aus einer Distanz von rund drei Metern einen Schuß aus einer Pistole ab und verletzte ihn schwer in der rechten Schultergegend. Der Verletzte wurde von Herrn Rhomberg sofort in die Klinik nach Innsbruck überführt, während Frau Purlein von der Gendarmerie in Igls verhaftet wurde. Fräulein H. verschwand auf den Vorfall hin.“
Im Tiroler Anzeiger vom 10. Juni 1926 konnte die interessierte Leserschaft dann unter anderem Folgendes über den Gesundheitszustand des Opfers erfahren: „Das Befinden des Herrn Purlein ist den Umständen entsprechend gut; er leidet jedoch große Schmerzen und an Schwindelanfällen; noch mehr aber an seelischer Depression sowohl über die Tat seiner Frau, als noch vielmehr über den taktlosen Bericht in den „Innsbrucker Nachrichten“, durch den namentlich die hochachtbare Familie des Kapitäns Viktor Huber in der Gutenbergstraße in ein peinliches Gerede gebracht worden ist.“ Ergänzt wurde dieser Zeitungsbericht durch folgende Erklärung der Gendarmerie: „Nachdem der den hiesigen Tagesblättern zugekommene Bericht der Gendarmerie bezüglich der angeblichen Freundschaft zwischen Oberstabstierarzt Purlein und dem Fräulein Irene H., Kapitänstochter, zu irrtümlichen Auslegungen Anlaß gegeben hat, wird festgestellt, daß sich diese Angaben sowie auch die über die angeblichen Beobachtungen der Frau Purlein lediglich auf die Aussagen der Verhafteten gründen. Die in der Angelegenheit des Attentates von der Gendarmerie geführten Erhebungen konnten auch nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Richtigkeit aller dieser Behauptungen der Verhafteten oder für irgend einen Zusammenhang zwischen dem Fräulein Irene H. und der Tat erbringen.“
Das Titelbild zeigt eine Ansicht des Lanser Sees gegen Süden. Das Foto wurde im Jahr 1919 von dem Innsbrucker Fotografen Richard Müller aufgenommen.
(Stadtarchiv Innsbruck, Ph-25366)