Grüße aus Ägypten
Auf den ersten Blick sieht die oben abgebildete Postkarte recht unspektakulär aus. Auf der Bildseite ist ein 9,1 x 7,3 Zentimeter großes Foto mit abgerundeten Ecken zu sehen, auf dem ein mit einem dunklen Mantel und Hut bekleideter Mann abgebildet ist. Ein unbekannter Fotograf lichtete den Herrn an einem schneereichen Wintertag im Innsbrucker Stadtteil Saggen ab. Im Bildhintergrund ist die Evangelische Christuskirche, die im Jahr 1905 errichtet wurde, zu erkennen. Unter dem Foto blieb noch genügend Platz für eine kurze Mitteilung. Ein Teil des Textes wurde wohl ausradiert, es ist nur noch „Was lange währt wird gut. [Herz]liche Heilgrüße Dein“ zu lesen. Soweit nichts ungewöhnliches.
Interessant ist allerdings die Adressseite der Postkarte: In Nordafrika wurde die offensichtlich private Fotografie als Motiv für eine Postkarte verwendet. Mit einer ägyptischen Briefmarke frankiert, wurde sie am 27. Februar 1907 nach Innsbruck geschickt, wo sie am 6. März 1907 ankam. Der Adressat, Herr Ingenieur Emil Leie, wohnte zu diesem Zeitpunkt offenbar im Gasthaus „Zum Wilden Mann“ in der Museumstraße.
(Stadtarchiv Innsbruck, Sommer 1-181)
Wow! Das ist für Philatelisten und Kartophile natürlich ein besonderes Highlight. Diese Postkarte wirft natürlich einige Fragen auf und bietet viel Raum für Spekulation….
Die Wahl des Motivs vor der neuen Kirche kann kein Zufall sein.
Der Dargestellte muss wohl fast evangelisch sein, ein Katholik hätte sich wohl sicher nicht freiwillig vor der Christuskirche fotografieren und das Foto dann auch noch als Postkarte vervielfältigen lassen – gerade um 1900/1910!
Man könnte meinen, dass es vielleicht ein evangelischer Geistlicher, Professor oder Lehrer ist, welcher nach Ägypten gezogen ist wurde. Vielleicht auch ein Ingenieur oder eine andere Fachperson, welche zur Arbeit in den Nahen Osten übersiedelte.
Der Adressat Emil Leie arbeitete interessanterweise als Ingenieur bei den Österreichischen Siemens-Schuckert-Werken in der Innsbrucker Niederlassung.
Er starb 1919 ganz plötzlich mit 57 Jahren auf einer Dienstreise. Der Allgemeine Tiroler Anzeiger vom 1.4.1919 berichtet:
„Auf der Bahnfahrt gestorben. Am 29. März vor-
mittags wurde, in Hochfilzen ein Herr im Eisen-
bahnwaggon tot aufgefunden. In Kitzbühel wurde er
auswaggoniert und in die Totenkapelle überführt. Bei
der Leiche wurde eine Visitkarte, lautend auf den
Namen Emil Leie, Ingenieur der österr. Siemens-
Schuckertwerke, in Innsbruck, Maria Theresienstraße
Nr. 29 wohnhaft, vorgefunden. Anscheinend wurde
Herr Leie von einem Schlaganfalle getroffen.“
Er hinterließ seine Witwe namens Anna Leie geb. Gföller und eine Tochter namens Rosa.