Die Attacke der Ameisen (Abessinien Teil 10)
„Etwa ½ Stunde nach Verlassen des Lagers kamen wir an den laubbewaldeten Uferhang des auch jetzt in der Trockenzeit immer noch rauschenden, ansehnlichen Didessa-Flusses, über den sich ganz überraschend in dieser Einsamkeit eine mächtige, imposante Steinbrücke spannt. Sie soll erst wenige Jahre alt sein. Jetzt flutet nur durch die Mittelöffnung, etwa 30m unterhalb des Brückenscheitel das angeblich auch Krokodile bergende Wasser in dem auf große Breite jetzt trocken liegendem Felsbett großer Granitklippen.“ (aus dem Brieftagebuch vom 31.1.1930)
Anhand der Verwitterung an der Brücke konnte man erkennen, dass das Wasser in der Regenzeit ca. 10-15 m höher stand und bis zu den Bogenwiderlagern reichte. Hammerle schrieb, es müsse ein „gewaltiges Schauspiel sein, wenn solche Wassermassen hindurchschießen!“ (aus dem Brieftagebuch vom 31.1.1930)
Unsere Reisenden befanden sich nun in etwas niedrigeren Gefilden (1480m) und bekamen nun die Hitze Afrikas zu spüren. Bei beidseitig geöffneten Zelten waren es am Nachmittag im Schatten des Zeltes 35°C. In der Nacht kühlte es jedoch schnell auf nur noch 13°C ab.
Doch die Nächte waren nicht nur kühl. Auch eine wie Hammerle es bezeichnete „tragisch heitere Episode“ ereignete sich in einer Nacht.
„Vorrausschicken muß ich, daß wir aus Höflichkeit und Respekt vor dem Alter unserem Senior, dem alten „Afrikaner“ und Goldexperten Herr K. immer den Vorrang ließen bei der Wahl seines Zeltplatzes, so auch Gestern, wo er sich wieder für den schattigsten Platz, unmittelbar unter dem großen Baum, entschied.
Es mag wohl nach Mitternacht gewesen sein, das Lager war in tiefstem Schlummer, als laute Schreie und Rufe: ‚Fanati, Fanati!‘ die große Stille störten. Ich wachte natürlich auch auf und erinnerte mich so langsam, daß doch der Boy von Herrn K. so heiße, wickelte mich aus den Decken, spähte zum Zelte hinaus und gewahrte schließlich im erleuchteten Zelte Herrn K. splitternackt schreiend und gestikulierend seinen Körper absuchend, wobei im Fanati helfen mußte: ein Ameisenschwarm hatte sich ausgerechnet sein Zelt unter dem verlockenden Baum auserwählt und überfallen, die Biester hatten sich in seinen schlummernden Leib verbissen, sodaß er natürlich gar unsanft geweckt worden war und sich nun größte Mühe gab, die scharf zwickenden Tierchen so rasch als möglich zu entfernen! Nach einiger Zeit war denn auch der Kampf erfolgreich beendet und allmählich kehrte wieder Ruhe im Lager ein; Herr K. aber sah sich von Stund‘ an seinen Zeltplatz unter Bäumen vorher immer gründlich an, um nicht wieder auf einem Ameisenbau zu ‚siedeln‘.“ (aus dem Brieftagebuch vom 04.02.1930)
Mitte Februar, nach einigen Tagen der Vorbereitung und des Umpackens, teilte sich die Karawane in 3 Teilgruppen auf, um nun die eigentliche Arbeit der Reise in Angriff zu nehmen.
Erwin Hammerle war in einer Gruppe mit Herrn Schmid, während Herr Kegel und Dr. Stier jeweils mit einer eigenen Karawane in die nicht allzu weit von Nedscho (vermutlich Nejo) entfernten Arbeits- bzw. Forschungsgebiete aufbrachen.
Was Herr Hammerle und Herr Schmid noch erlebt haben, wird im nächsten Teil berichtet.
Amelie Sturm (Stadtmuseum/Stadtarchiv: SammelA 501-07, Ph-Pl-3062)