Geraubte Jugendjahre
Jeder kennt die Geschichte von Anne Frank, dem tapferen Mädchen dessen Tagebuch weltweit bekannt ist und als wichtiges Dokument gilt, wenn es darum geht das Leben von Jüdinnen und Juden unter dem nationalsozialistischen Regime zu rekonstruieren. Wenn man jedoch einen Blick auf unsere Stadtgeschichte wirft, dann stößt man ebenfalls auf die Geschichte eines Mädchens, die ziemlich gut veranschaulicht wie grausam mit der jüdischen Gemeinde auch in Innsbruck zur damaligen Zeit umgegangen wurde. Ihr Name war Ilse Brüll und in diesem Beitrag möchte ich euch ihre Geschichte erzählen.
Ilse Brüll (links auf dem Foto) wurde am 28. April 1925 in Innsbruck geboren und wohnte gemeinsam mit ihren Eltern Rudolf und Julie Brüll in der Anichstraße 7. Sie wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf, der Vater besaß ein Möbelgeschäft, das von Ilses Großvater Michael gegründet worden war. Ilse besuchte die Hauptschule in der Michael-Gaismair-Straße, die Schule in der auch ich circa 70 Jahre später saß und paukte.
Alles schien perfekt zu sein, doch mit dem Anschluss an das Deutsche Reich nahm das Leben von Ilse eine schreckliche Wendung. Zunächst wurde die gesamte Familie nach Wien zwangsumgesiedelt, in der Pogromnacht vom 09. auf den 10. November 1938 wurden sie von den Nationalsozialisten schwer misshandelt und mit Fußtritten verletzt. Die Angst war groß und man versuchte Ilse zu beschützen, indem man ihr gemeinsam mit ihrer Cousine Inge die Flucht nach Holland mittels eines Kindertransportes ermöglichte. Dort angekommen, hatte sie die Möglichkeit in einem Kloster unterzukommen, in dem sie die ersten Kriegsjahre verbrachte. Dies war jedoch nur die Ruhe vor dem Sturm, denn 1942, als Ilse 17 Jahre alt war, entdeckte man ihr Versteck. Sie wurde ins Durchgangslager Westerbork deportiert und im August desselben Jahres erfolgte der Transport nach Auschwitz, wo sie, so berichteten es zumindest Zeugen, am 03.09.1942 ermordet wurde.
Währenddessen mussten auch die Eltern um ihr Leben bangen. Sie versuchten ins Ausland zu flüchten, was ihnen jedoch misslang. 1943 wurde das Ehepaar nach Theresienstadt deportiert, aber sie überlebten das harte Leben im Konzentrationslager und konnten 1945 befreit werden. Nachdem sie nach Innsbruck zurückgekehrt waren, versuchte Rudolf Brüll das Möbelgeschäft wieder in seinen Besitz zu bringen. Gleichzeitig war er bis zu seinem Tod Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Innsbruck. Im Jahre 2004 wurde eine Gedenktafel an Ilses ehemaliger Schule angebracht, bei dessen Enthüllung auch ihre Cousine Inge, die mit Ilse damals in die Niederlande flüchtete, anwesend war. Die Gasse, in der sich auch der Eingang des Schulgebäudes befindet, wurde ihr zu Ehren in Ilse-Brüll-Gasse umbenannt.
Geschichten wie jene von Inge und Ilse Brüll sowie die von Anne Frank sind nur einige wenige Beispiele für das Schicksal von rund 1,5 Millionen Kindern, die dem Holocaust zum Opfer fielen. Wer gerne mehr über Kinder im Holocaust erfahren will, dem kann ich unter anderem die Berichte von Eva Mozes Kor empfehlen, die zusammen mit ihrer Schwester an den Experimenten von Dr. Josef Mengele teilnehmen musste.
(Verena Kaiser)
aber auch in Innsbruck war damals niemand dabei.