Was sagt dieses Bild?
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, ist so eine Redewendung, die ich regelmäßig in die gedankliche Mülltonne entsorge. Ein Bild sagt gar nichts. Ein Bild kann man lesen. Aber auch nur dann, wenn man diese Sprache erlernt hat.
In dem Fall sprechen zunächst nur die Zahlen zu mir, die mir mitteilen, dass wir uns im Jahr 1917 befinden. Dazu passen auch die Uniformierten rechts im Hintergrund, einer davon mit Rot-Kreuz-Binde. Ansonsten sagt mir das Bild, dass es sich um einen katholischen Umzug handelt, was auch die Buchstaben „Dem katholischen Meisterverein“ untermauern. Und dann wird es schon schwierig. Was wird da im Hintergrund auf der Sänfte mitgetragen? Eine Reliquie? Oder der Priester? Aber wenn das ein Sitz ist, dann säße der ja rückwärtsgewandt – ein Schelm wer böses dabei denkt – was aber auch eher ungewöhnlich wäre. Und was tragen die Männer davor in ihrer rechten? Silberne Kelche? Und dahinter ein Bursch mit einem Bündel Stangen?
Die Frage, wo wir uns hier befinden könnten, stellt sich auch. Es erinnert mich ein bisschen an Hall, aber ich gestehe, ich habe die Kirche eigentlich nicht ausreichend vor meinem (nicht vorhandenen ) fotografischen Gedächtnis. Die Trachten der Frauen am linken Bildrand könnten sonst auch zur geografischen Verortung beitragen.
Sie sehen, wenn dieses Bild wirklich etwas sagt, dann ist es für mich allenfalls unzusammenhängendes Gebrabbel – aber vielleicht sind Ihre Ohren geschulter…
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-30913)
Apropos Redewendung, die Zuschauer können sich glücklich schätzen, dass derart viele Kelche an ihnen vorbei gehen.
Oder sind es vielleicht Kerzenhalterr, auf welche die Kerzen erst aufgesteckt werden mußten?
Und die mitgetragenen „Stangen“? Dienen die vielleicht für den „Himmel“, den über dem Allerheiligsten in der Monstranz getragenen Baldachin?
Die 2 „Fahnen“ im Hintergrund könnten dann als „Sakramentsfahnen“ dienen.
Auch das „Ferggele“, das Traggestell für eine Heiligenfigur, dem Monogramm nach für eine „Madonna“ oder evtl. auch eine „Immaculata“ wird bei Fronleichnamsprozessionen mitgetragen.
Wo wir sind?
Die langen schwarzen Frauen-Sonntagstrachten, dazu die Hüte mit den Goldquasten, deuten aufs Unterinntal und auf ländliche Umgebung (es war, glaube ich, nur der Bäuerin erlaubt, eine solche Tracht zu tragen)
Langer Rock – weiße Bluse – runder Hut: städtisch.
Und jetzt müßten wir noch das „Ambiente“ um alle städtischen aus der Gotik stammenden Stadtpfarrkirchen „checken“,
die um 1917 am Stadtrand noch funktioierende Bauernschaften hatte….
……und wenn es auch noch das abwärtsführende Gaßl links vom Haus gäbe—…
……dann hätten wir die Lösung.
Noch ein Hinweis: Die „Prozession“ geht _abwärts! Die (gotische?) Kirche steht also erhöht.
könnte auch eine Herz-Jesu Prozession sein, wobei auf einer der Kirchenfahnen eindeutig eine Monstranz mit dem Allerheiligsten zu sehen ist.
Auch ich verorte die Szene ins Unterland.
Die „Kelche“ dürften Kerzenhalter sein, ich erahne in der Mitte eines dieser Objekte einen Dorn.
Das Kreuz halte ich für ein separates Objekt, da der „Aufbau“ von 4 Männern an den Stangen getragen wird. Der Aufbau ist mit den Blumen in der Vase vor dem Kruzifix zu Ende.erst danach kommt das Kreuz.
und zuletzt das Traurige, bis auf die 3 Militärangehörigen sind nur Frauen Kinder und Alte zu sehen. Die wehrfähigen Männer sind gefallen oder noch bei der Verteidigung der Heimat.
Ich glaub nicht, daß die tragbare Prozessionsmadonna auch nur einen Moment lang für eine Sänfte gehalten wird. Daß sie in eine unerwartete Richtung schaut ist der lokalen Prozessionsordnung geschuldet, es macht aber auch Sinn, daß sie den nachfolgenden Reihen der Gläubigen zugewandt getragen wird. Die mitgetragenen Stangen formen das Gestell, auf dem man bei den Altarhaltepunkten die schwere „Sänfte“ abstellen konnte.
Wohl eine Fronleichnamsprozession, auch wenn das düstere Erscheinungsbild eine Sänftensekunde lang an einen Leichenzug denken ließ. Die Birkenzweigdekors und die Fensterteppiche korrigieren sogleich.
Den Ort möcht ich auch wissen. Immer herumgoogeln mag ich nicht. In Hall war ich grade einmal, die dortige Kirche ist es nicht, auch nicht die Rückseite. Hötting oder St. Nikolaus aber auch nicht, die Lokalexperten hätten sich sonst schon gemeldet.
Die Kelche könnten als Fronleichnamssymbol dienen. Den Gedanken, daß man sie dann auf dem letzten Altar abstellte, manchmal findet dort wie auch bei der Landesprozession eine Messe mit entsprechendem Andrang bei der Kommunion statt, verwerfe ich aber wieder beim Gedanken an das dann notwendige hoppalaverdächtige Umfüllen der Hostien.
Für mich keine Fronleichnamsprozession: Dort würden die Frauen in der Feiertagstracht nicht als Zuseherinnen da stehen, sondern beim Block der Frauen/Bäurinnen mit ihrem eigenen „Ferggele“ mitgehen! Hier schauen mit den Kindern nur dem Männer-Aufmarsch zu.
Die Stützen sind wohl wirklich für das Abstellen der Riesen-Heiligenfigur.
Aber Kelche in der (herunterhängenden) Hand von Laien? Ganz sicher nicht, abgesehen davon, dass es damals noch keine Kommunionhelfer gab!
Für mich eine (Jubiläums-)Prozession dieses Meistervereins. Die mitgetragenen Gefäße halte ich für Statussymbole der höheren Meister, – aber nichts Religiöses.
Nun, vermutlich hat hier vor Beginn der Prozession ein feierliches Hochamt stattgefunden, bei dem jede Unterländerin gesagt hätte „Des dauasch an kloan Kint vüüü z’long, i geh mit eahm ba da Seidntier aussi an d’Luft – und boi nochad de Brozesion kimmp, aftn gemma hintnochi“ (oder so ähnlich…)
Man sieht wohl erst den Beginn der xy-Prozession. Die Frauen kommen traditionell nach dem „Himmel“ dem die Männer vorausgehen, die selber erst aus der aus der Kirche zu treten beginnen. Die am Rand wartenden Frauen gliedern sich vielleicht in die bald vorbeiziehenden anderen Frauen ein, so wie der Mann mit der Fahne zu warten scheint, bis der für ihn relevante Prozessionsteil vorbeikommt. Rätsel bleiben die Kelche, denen auf den zweiten Blick auch ich keine liturgische Bedeutung zuschreiben will, auch die von einigen Männern in der Hand gehaltenen Kerzen sind mir nicht geläufig. Und die Kirche nach wie vor unbekannt. Links sieht es aus wie Fels. Gehört wohl zur Kategorie Hinaus ins Land.