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Die Folgen Einer „Heiratspsychose“

Die Folgen einer „Heiratspsychose“

In der Tiroler Tageszeitung vom 11. August 1959 erschien ein Artikel mit dem Titel „Heiratspsychose kostet Geld, Ruf und Freiheit.“ Darin wird geschildert, wie eine junge Frau, die mit allen Mitteln einen gutsituierten Heiratskandidaten finden wollte, auf die schiefe Bahn geriet und sich am Ende vor Gericht für ihre Taten verantworten musste: „Vor einem Schöffensenat des Landesgerichtes Innsbruck unter Vorsitz von OLGR Dr. Seifert, Anklage STA Dr. Maier, hatte sich die 29jährige Johanna Mähr aus Innsbruck wegen mehrfachen Betruges mit einem Schaden von insgesamt 13.000 Schilling zu verantworten.

Doch wie konnte es nur so weit kommen? Johanna Mähr arbeitete als Kindermädchen in Hall in Tirol. Sie verdiente bei freier Kost und Logis 700 Schilling im Monat. Doch ihr großes Ziel war es, möglichst bald einen geeigneten Heiratskandidaten zu finden und mit ihm eine Familie zu gründen. Sie wandte sich an diverse Heiratsvermittlungsinstitute und stattete sich mit einer hübschen Garderobe aus. Die Kosten dafür überschritten aber sehr bald ihre finanziellen Möglichkeiten. Deshalb überredete sie einen Bekannten ihr ein Darlehen von 9000 Schilling – angeblich für den Erwerb einer Eigentumswohnung – zu geben. Sie versprach ihm dafür eine Provision von 1000 Schilling. Die Schulden würde sie in monatlichen Raten von 600 Schilling zurückzahlen. Doch der Mann erhielt keinen einzigen Schilling zurück. Auch von einem Ehepaar erschlich sie sich unter dem gleichen Vorwand 3000 Schilling. Das Geld gab die junge Frau für schöne Kleider und für die Gebühren der Heiratsvermittlungsinstitute aus. Ein geeigneter Ehepartner war jedoch nicht in Sicht und die Gläubiger drohten mit einer Anzeige.

Daraufhin flüchte Johanna Mähr in die Schweiz. Auch dort versuchte sie ihre finanzielle Situation mit Betrügereien und Diebstählen aufzubessern und wurde schließlich verhaftet und zu sieben Monaten Gefängnis und zu einer Geldstrafe von 50 Franken verurteilt. Sie wurde des Landes verwiesen und landete nach ihrer Überstellung nach Österreich in Untersuchungshaft in Innsbruck.

Vom Prozess am Innsbrucker Landesgericht wurde in der Tiroler Tageszeitung vom 11. August 1959 folgendes berichtet: „STA Maier ließ zwar das ebenso reumütige wie umfassende Geständnis der Angeklagten gelten, mußte aber auf die ziemlich bedenkenlose Ausübung krimineller Praktiken verweisen. Eine einschlägige Vorstrafe aus dem Jahre 1956 (6 Monate Kerker, bedingt auf 3 Jahre) erhärte diese Beurteilung und lasse das menschliche Motiv (Heiratssucht) zurücktreten. Laut der österreichischen Strafprozeßordnung müsse das Schweizer Urteil für die Strafbemessung des gegenständlichen Falles außer Betracht bleiben. der bedingte Ausspruch der Vorstrafe (1956) aber werde zu widerrufen sein, da die Angeklagte innerhalb der Probezeit […] rückfällig geworden sei. – RA Dr. Hillebrand erklärte, daß die aufrichtige Reue der Beschuldigten doch die menschlichen Tatmotive bekräftige. Die Sehnsucht nach einer Verehelichung und nach der Gründung einer Familie habe schon viele Menschen auf Abwege gebracht. […] Der Schöffensenat sprach Johanna Mähr wegen Verbrechens des Betruges und verurteilte sie in Anerkenntnis ihres vorbehaltlosen Geständnisses zu einem Jahr schweren Kerkers. – Die Angeklagte werde zu erweisen haben, erklärte der Vorsitzende, ob sie diese Milde auch verdiene und nützen werde. Ein neuerlicher Rückfall würde jedes menschliche Verständnis verwirken und eine gefährliche kriminelle Einstellung zur Gemeinschaft bekunden. – Das Urteil wurde rechtskräftig; da aber der Widerruf der bedingt ausgesprochenen Vorstrafe als sicher gilt, wird Johanna Mähr eineinhalb Jahre im Gefängnis verbringen müssen.“

Ob die junge Frau nach dem Gefängnisaufenthalt ein rechtschaffenes Leben führte und endlich einen geeigneten Heiratskandidaten fand, ist leider nicht bekannt.

(Stadtarchiv Innsbruck, Ph-37135)

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