Lokal-Geschichten
Nüchternes aus ehemaligen Innsbrucker Gasthäusern.
So haben wir unsere brandneue Sonderausstellung gennant und wir würden uns freuen, wenn Sie vorbeikommen. Wenn Sie sich also bitte entschließen könnten das Internet kurz abzuschalten um bei einer nostalgischen Tour in der Innsbrucker Altstadt, in der es derzeit fast schon wieder wuselt wie vor Corona, einen Besuch der Ausstellung im Stadtmuseum einzuplanen.
Die Wahl des Themas der Ausstellung hat auch etwas mit dieser Internet-Seite zu tun. Wir haben gemerkt, wie viele Kommentare und Erinnerungen die hier gezeigten Bilder aus der Gasthäuser-Serie ausgelöst haben – böse Zungen würden behaupten, sogar mehr als die mindestens gleich schönen Bilder der Gotteshäuser.
Für die Sonderschau haben wir viele neue Wirtshaus-Geschichten recherchiert und sind vom Betrachten des Einzelbilds ein wenig auf allgemeine Überlegungen gewechselt. Was ist es, das uns an Gasthäusern so anzieht? Was macht ein gutes Lokal aus? Was hat sich in den letzten hundert Jahren verändert und was gar nicht? Wie werden unsere Erinnerungen abgespeichert? Und, für eine Ausstellung natürlich wichtig: Was bleibt von ehemaligen Gasthäusern an Objekten in einem Archiv wie dem unseren erhalten?
Das Titelsujet für Plakat und Einladung wurde ein Ausschnitt aus dieser Fotopostkarte, auf der sich Angestellte der Innsbrucker Gastronomie und Hotellerie versammelt haben. Wenn jemand von Ihnen die Fenster im Hintergrund einem Gastgarten zuordnen kann, bekommt er oder sie zwei Freikarten…
Die Herren sind von Beruf Hotel-Kommissionäre. Zu den Aufgabenbereichen des Kommissionärs schreibt ein Fachbuch von Georg Walterspiel aus dem Jahr 1969 folgendes: „Wenn der Page nicht Kellner wird, sondern beim Portier bleibt, so kann er zum Kommissionär aufrücken; dies ist naturgemäß ein etwas älterer junger Mann, der als ‚rechte Hand‘ des Portiers vorwiegend außerhalb des Hotels tätig sein kann. Er muß wendig, zuverlässig und stadtkundig genug sein, daß man ihn zum Zollamt, zum Flugplatz, zum Behörden, zur Bank usw. schicken kann. Es ist daher nicht selten, daß Portiers ihre Laufbahn als Kommissionär begonnen haben.“
Die obenstehende Aufnahme ist 1911 als Fotopostkarte versendet worden. 1904 hatte sich in Innsbruck ein Verein der Kommissionäre gegründet. Leider sind die Unterlagen zur Vereinsgründung im Landesarchiv aus konservatorischen Gründen gerade nicht zugänglich, wir würden aber zu gerne wissen, wer die älteren jungen Männer auf dem Bild sind.
Bei einem Ausflug in die Filmgeschichte kann man, wie könnte es anders sein, Hans Moser dabei zusehen, wie er (im Auftrag der Deutschen Kriegswirtschaft zur seichten Unterhaltung an der Front und in der Heimat) im Film „Einmal der liebe Herrgott sein“ als alternder Kommissionär davon träumt, nur einen Tag als Portier seines Hotels wirken zu dürfen.
Im Innsbrucker Adressbuch von 1903 finden sich die Namen von mindestens 9 Kommissionären. Gut möglich, dass manche dieser Herren auf dem Foto abgebildet oder bei der Vereinsgründung von 1904 beteiligt waren:
Altenweisl Sebastian
Auer Josef
Haubenwallner Toni
Leitner Ferdinand
Messner Josef
Niedermaier Anton
Rainer Josef
Reiner Alois
Salchner Johann
In den späteren Adressbüchern findet man bestimmt noch viele weitere Kommissionäre…
Notizen zur Vereinsgeschichte:
Der Verein für Kommissionäre bestand von 1904 bis 1926. Per 1. Jänner 1926 hat sich der Verein mit dem Verein der Dienstmänner „Express“ vereinigt:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19260109&query=%22verein+der+kommission%c3%a4re%22&ref=anno-search&seite=4
Laut der Todesanzeige des Kommissionärs Jakob Mair beteiligte sich der Verein der Kommissionäre durch korporative Begleitung und Kranzspenden bei den Begräbnissen seiner Mitglieder:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19121212&query=%22verein+der+kommission%c3%a4re%22&ref=anno-search&seite=10