„Ein musikalisches Ereignis ersten Ranges …“
„… waren die zwei Donksaken-Konzerte der letzten Woche. Nicht nur vom Standpunkte der Seltenheit aus (deretwegen auch wieder alle jene vollzählig im Konzertsaal vertreten waren, die mit Sicherheit immer und überall dort zu finden sind, wo es sogenannte gesellschaftliche Rücksichten erheischen), sondern auch von dem der Qualität der Darbietungen aus, die ich – um es kurz zu sagen – zu den Vollendetsten zähle, was ich auf chorgesanglichem Gebiete je gehört habe. Solche Crescendi, solche Stürme, die von Takt zu Takt wachsen, einen Augenblick Atem holen und dann mit stärkster Wucht niederrsausen, derartige Steigerungen, ein so flüsterndes Pianissimo, ein solcher Wechsel zwischen Ruhe und Bewegung und dazu eine so ausgesprochene Schärfe in der melodischen Linie und Durchsichtigkeit im harmonischen Aufbau, bei der keine Einzelheit, keine noch so verborgene Lebensstimme verloren geht – das alles zusammen bewirkt ein Ergebnis von mit- und hinreißender, schier unheimlicher Kraft und Anschaulichkeit […].“ In den höchsten Tönen lobte der Kritiker der Innsbrucker Nachrichten das Gastspiel des „Kirchenchors der Donkonsaken“ in Innsbruck am 29./30. November 1923. Ähnlich begeistert war auch der Kritiker des Allgemeinen Tiroler Anzeigers, der das Gastspiel als „hochsensationell“ bezeichnete.
Während die Besucher in Scharen zu den beiden Konzerten in den Stadtsaal kamen, rief der Erfolg auch Neider auf den Plan. Insbesondere in deutschnationalen Kreisen ereiferte man sich über das glänzende Gastspiel. Da wurde etwa mokiert, dass das Publikum die beiden Konzerte der „Ausländer“ regelrecht gestürmt habe, während es Gastspiele deutscher Künstler nicht oder nur in geringer Zahl besuchen würde. So erschien etwa am 12. Dezember 1923 in den Innsbrucker Nachrichten ein Beitrag über ein Konzert der „Wolkensteiner“, in dem es u.a. heißt: „Das Konzert war zwar ganz gut besucht, aber mehrere Sesselreihen waren leer. Zu den Donkosaken rannten alle alle [sic] und rissen sich um die Karten, hier aber, wo es um nicht schlechtere deutsche Kunst und zudem um die Geldbeschaffung für Weihnachtsgeschenke, die armen hungernden deutschen Kindern gegeben werden sollen, geht, gab es auf einmal kein Gedränge.“ Texte wie diese zeigen, wie vergiftet das politische Klima fünf Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in gewissen Kreisen immer noch bzw. schon wieder war …
Die Besucherin, die die obenstehende Karte nach dem ersten Konzert erwarb, gehörte zweifelos nicht dazu. Sie notierte auf der Rückseite: „Kirchenchor der Donkosaken. Conzert [sic] im großen Stadtsaale am 29. November 1923. Herrlich schöne Stunden verbracht.“
(Foto: Privat)