Das letzte Steinchen: Mit den Augen des (un)bekannten Fotografen XXXII
Nein, bitte fangen Sie nicht an, auf diesem Bild Steinchen zu suchen. Vor allem nicht auf der augenscheinlich unbefestigten Universitätsstraße. Der Titel ist natürlich im übertragenen Sinn zu verstehen. Als diese Serie im Herbst startete, war die Identität der Fotograf bzw. die Fotografin, noch ein völliges Mysterium. Nach der Auflösung des Familienumfeldes ergaben die Mosaiksteinchen schon ein ziemlich deutliches Bild, nämlich dass „es sich beim Fotografen ziemlich sicher um Rudolf Graf von der Lilie höchtspersönlich handeln“ dürfte. Ich glaube, in dieser Frage kann man heute das letzte Stückchen einsetzen:
Im Zusammenhang mit einem von Herrn Auer jüngst angeregten Beitrag zur Familienresidenz in der Universitätsstraße hat uns selbiger das obige Bild aus seiner Sammlung zur Verfügung gestellt. Es handelt sich hierbei um den ersten und bislang einzigen bekannten Abzug einer dieser Glasplatten. Versehen ist er rechts unten mit einer Grafenkrone und den floral ausgeführten (wohl an die Lilien im Namen anspielenden) Initialen RV. Damit steht, so denke ich, die Identität des Fotografen nun endgültig fest.
Die als Postkarte ausgeführte Rückseite wurde übrigens im Sommer 1911 von der damals 19-jährigen Tochter des Grafen, Auguste Maria Julie Theodolinde, genutzt. Sie schrieb ihrer lieben Tante (Daisy, wenn ich das richtig lese), Gräfin Thun geborene Plotzingen, ins Baden-Württembergische Steisslingen und kündigte an, die Familie werde die Sommermonate wieder im – nur 10 Kilometer davon entfernten – Singen verbringen.
Herzlichen Dank an Herrn Auer für dieses spannende Dokument!
(Original: Sammlung Josef Auer)
Jene „Daisy“ als Adressatin der Karte ist wohl Therese Gräfin Thun geb. Baronin von Stotzingen, vermutlich eine befreundete Adelige und Nenntante der Familie. Sie lebte mit ihrem Mann Constantin Graf Thun und den Kindern in Innsbruck. Die vier Kinder sind alle zwischen 1908 und 1917 in Innsbruck geboren. Plausibel wäre, dass diese Familie 1911 selbst in Steißlingen zur Sommerfrische weilte. Das Schloss Steißlingen wird bis heute von den Freiherren von Stotzingen bewohnt.
Dass diese Karte den „Flaschenhals der Überlieferung“ überstanden hat, ist ein sehr glücklicher Zufall. Derartige Karten aus gräflicher Postkartenproduktion sind bestimmt nur in ganz kleinen Auflagen für den Privatgebrauch erschienen und daher von größter Seltenheit…
Dass diese Postkarte als weiterer Zufall überhaupt der Familie Vetter zugeordnet werden konnte, ist in der Tat nur den Beiträgen und Recherchen von „innsbruck-erinnert“ zu verdanken.
Ohne diese Vorarbeiten hätte ich die Bedeutung der Initialen RV wohl nie erfahren, herzlichen Dank an alle, welche zur Klärung der rätselhaften Identität des Fotografen beigetragen haben!