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8 Monate Anno 1902 (44)

8 Monate anno 1902 (44)

Nach einem letzten spontanen Besuch verabschieden wir uns heute von der Wetterburg, alias Posch-Hütte, auch wenn das Wetter bald dazu einlädt, sie in Natura zu besuchen. Das heutige Titelbild stammt aus der Feder von Marie Grass-Cornet, 60 Jahre nach den Tagebuchaufzeichnungen. Die Poschhütte blieb offnbar ein Fixpunkt in ihrem Leben und jenem ihrer Söhne: „Es ist auffallend, daß Nikolaus und Franz Grass sich zu Spezialisten der rechtlichen Hintergründe der Almwirtschaft entwickelt haben,“ schrieb Karl Pivec in seinem 1975 erschienen Beitrag über Marie Grass-Cornet. Dieses Forschungsinteresse hing „zweifellos mit einem Kindheitserlebnis der beiden brüderlichen Forscher zusammen“, nämlich dass sie „in ihrer Kindheit den Sommer auf einer Höhe von fast 1700 m auf der Poschhütte auf dem Tulferberg“ verlebten. (S. 562).

Interessant ist auch der folgende Satz: „Letzterer [Vermesser Depolo] u. Albertl schrieben sich ins Album ein, wir zwar auch, doch nur kurz.“ Dies verweist darauf, dass die Familie Posch bzw. Grass-Cornet auf der Hütte Gästebücher aufliegen hatte. Eines davon ist in der Bibliothek des Landesmuseum Ferdinandeum erhalten (FB 32482) – leider jedoch aus den Jahren 1906-1945, also nach den bekannten Tagebuchaufzeichnungen.

29. August [1902], Freitag. Heute früh gieng l. Onkel Nicolaus nach Tulfes behufs Grundbuchsanlegung; ich wohnte in Taschenlehen der hl. Messe bei, u. lud Josefine ein, beim photografischen Entwickeln zuzusehen. Sie kam nach 10h, worauf wir in der Dunkelkammer manipulierten. Die 6 Aufnahmen sind sehr nett, besonders das Cornet’sche Familienbild von neulich u. die Villa, sowie Hall. Unterdessen kam der l. Onkel Nicolaus von Tulfes retour mit der Neuigkeit, er müsse morgen auf die Wetterburg gehen, worauf ich gleich bat, auch mitgehen zu dürfen, was natürlich bewilligt wurde. Onkel Nicolaus lud nun durch Josefine den Albertl zum morgigen Hüttenaufstieg ein. Nachmittags erschien nun Fr. v. Gasteiger mit Albertl u. Josefine u. brachte die bejahende Antwort. Abends kam Huisign-Franzl, den Proviant auf Tulfes zu tragen, weshalb wir eiligst Rehbraten bereiteten u. Waffeln buken. – Um 9h kam noch Cornet Köchin Cenzi u. Marie mit einer Laterne u. berichteten, dass Albertl „Rufele-Erscheinungen“ habe u. morgen an der Partie wahrscheinlich nicht theilnehmen könne.

30. August 1902, Herbstaufstieg zur Hütte. Bei stockfinstrer Nacht standen wir auf u. machten uns reisefertig. Wider Erwarten kam vor 1/2 5h auch Albertl u. trank mit uns Kaffee; um 3/4 5h aber verließen l. Onkel Nicolaus, Albertl, Margreth u. ich die Villa, wo wir Tante Anna u. Madeleine allein zuürckließen. Der Himmel schien im Osten in Flammen zu lohen, wir schritten aber noch geräume Zeit in der schwindenden Nacht dahin. Kein Lüftchen regte sich, drückende Schwüle lag schon vor Sonnenaufgang im Thal. Endlich in Tulfes wurde es ein wenig besser, man athmete leichter! – Hier wurde die ganze mitzugehende Mannschaft zusammengetrommelt, Herr Obergeometer musste erst geweckt werden. Schließlich giengen wir 4 wieder allein bergauf. Ich hatte bereits Sorge, wir werden Regen bekommen, der ganze Himmel hatte sich überzogen. Beim „Hasenmarterl aber schien dann golden die Sonne, es entfaltete sich ein sehr günstiger Tag. Nach kaum 3 stündiger Marschzeit langten wir auf den Höhen der Wetterburg an u. grüßten sie innig! Gottlob fanden wir alles in Ordnung u. machten uns in der Küche bequem. Bald erschien die Amtspartie von Tulfes, Herr Lehrer, Huisigen- u. Erlerbauer, dessen Sohn u. Herr Obergeometer Depolo als Hauptperson. Letzterer begann gleich die Hüttenvermessung u. alsdann schritten alle sammt u. sonder nach Stallsins. Die Herren giengen dann in die „Tagweiden“, wir drei begnügten uns, den Weg zum „Ochsenbrunnen“ entlang zu klettern, bis man zum „Schwarzbrunnen“ sieht. Albertl war ganz entzückt u. begeistert. In Stallsins hieß uns der alte Seppl willkommen u. bewirtete uns mit Milch und Brot. Dann giengen wir heimwärts kochen. Ich machte als Vorspeise eine Brennsuppe, Margreth wärmte das Reh. Es war schon 3/4 2h, deshalb beschlossen wir allein zu essen. Dann kamen die Männer nacheinander zu Tisch; die Bauern aßen auf unserm Frühstückstisch, l. Onkel Nicolaus u. Hr. Depolo in der Küche. Letzterer u. Albertl schrieben sich ins Album ein, wir zwar auch, doch nur kurz. Gegen 1/2 4h giengen wir wieder bergabwärts u. kehrten in Tulfes beim Wirt zu, tranken ein paar Flaschen Bier u. verabschiedeten uns dann von den Tulfern, während Herr Obergeometer mit uns gieng, von Andlklaus aber gleich zur Bahn eilte. Zum Abendtisch kam Albertl herüber, gieng aber Dunkelheit halber bald nach Hause. Es war sehr angenehm u. ein günstiger Himmel lachte über uns.

Nun beeilten sich Margreth und ich noch meine Gabe zum morgigen Hochzeitstage der l. Tante Anna u. Onkel Nicolaus fertigzubringen, was auch gelang. Ich gratulierte dann noch u. überreichte die 2 gestrickten Serviettentaschen.

Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1 (Transkription: Katharina Schilling)

Bild: „Poschhütte am Tulferberg“ von Marie Grass-Cornet, 1962. Aus Karl Pivec, „Die Mutter – Marie Grass-Cornet (1883-1970)“, in: Louis Carlen / Fritz Steinegger (Hg.), Festschrift Nikolaus Grass, Bd. 2, 1975, S. 562.

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Wieder ein wunderbarer Beitrag um in wohliger Nostalgie zu baden. Vielen Dank lieber Herr Bürgschwentner, für dieses Schwelgen im Ambiente des Jahres 1902.

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