15 Minuten müssen reichen!
In der Früh, der Blick auf die Uhr, wieder viel zu spät, aber noch schnellschnell unter die Dusche, bevor es ab in den Alltag geht. Ein völlig anderer Zugang nach der Rückkehr von einer mal kühlen mal schweißtreibenden Wintertour. Wie viel Zeit wir jeweils fürs Duschen benötigen? Keine Ahnung. Was für ein Luxus, dass die Zeiteinteilung im kalten, warmen oder heißen Nass ganz die unsere ist.
Vor hundert Jahren war das natürlich noch ganz anders. Als weite Teile der Bevölkerung ein öffentliches Bad aufsuchen mussten, wenn sie richtig duschen oder baden wollten, musste dafür auch ein geregelter Ablauf verordnet werden. „Die Dauer der Benützung eines Brausebades darf einschließlich der zum Aus- und Ankleiden notwendigen Zeit 15 Minuten nicht übersteigen“, heißt es in der Badeordnung des Höttinger Volks-Brausebads, das am 1. Dezember 1912 in der Schneeburggasse 12a eröffnet wurde. Für das Wannenband standen Männern 30, Frauen 40 Minuten zu. Was jetzt nicht völlig unvernünftig klingt. Aber mit Abtrocknen und Kleidungswechsel dürfte es auch nichts für Trödler gewesen sein. Bitte alle über die kommende Woche zuhause mitstoppen!
Die Höttinger Badeordnung war übrigens in punkto Inhalt, Wortlaut und Tarife praktisch ident mit jenem, was für die Stadt Innsbruck galt und in den Adressbüchern verlautbart wurde. Dass dieses Dokument überliefert ist, verdanken wir dem Finanzamt, pardon, der k. k. Steueradministration Innsbruck. Ebendort hatte die Gemeinde Hötting nämlich die Befreiung von der Erwerbssteuer beantragt und wurde deshalb am 3. Oktober 1913 aufgefordert, „binnen längstens 8 Tagen“ finanzielle Details zum Betrieb „anher […] vorzulegen“.
Die Gemeinde übersandte eine Badeordnung als Beleg für die Tarife und rechnete vor, dass sich die Ausgaben seit 1. Dezember 1911 bis Jahresende 1912 auf 17.748,40 Kronen beliefen. An Einnahmen waren nur etwas mehr als 10 Prozent dieses Betrages, nämlich 1859,40 Kronen zu verzeichnen. Damit belegte Gemeindevorsteher Alois Steffan, dass „sich das Brausebad niemals verzinsen wird und für die Gemeinde nur als eine Wohlfahrtseinrichtung gedacht ist“.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Gemeindearchiv Hötting, Karton 1913, Zl. 6230/1913).
Dem eigenen Bad als Wohnungsstandard und dem damit verbundenen Ende des Städtischen Wannenbades hat das Stadtarchiv seine Örtlichkeit zu verdanken.
Auch in den 50ern waren die Bewohner von Altbauten aus der k.u.k. Zeit froh um diese Einrichtung, auch meine Eltern gehörten dazu. Mir war dieses Haus mit seinen ringsum widerhallenden Plätscher- und Menschengeräuschen immer einwenig unheimlich. Ebenso die robusten Wannenmeisterinnen, die mich mit jenem vorauseilend strengen Blick bedachten, der jeglichen Gedanken an Lausbübereien im Keim erstickten. In Erinnerungen sind mir auch noch die wuchtigen blitzsauberen Armaturen (sie dienten nur der Feinregelung, das Badewasser wurde vom Personal eingelassen). Besonders die auf einer alleinstehenden Säule angebrachte Betätigung des Ablaßventils, die nun wiederum den Badenden überlassen war, war von imponierender Größe. Nach Benützung mußten die Wannenmeisterinnen in Windeseile saubermachen, damit die manchmal zahlreichen Wartenden bedient werden konnten.
Lustigerweise war es dann der zum Allgemeingut werdende Kühlschrank, der das öffentliche Bad obsolet werden ließ. Die in den Altbauten anzutreffende Speis, ein eigener schlufartiger Raum, wurde überflüssig. Dort konnte man dann auch im Altbau ein Bad einbauen. Aber auch wenn dies nicht möglich war stellte man die Badewanne einfach in die Küche, weil man endlich ein Bad haben wollte.