12. März
„Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden, um das zu schildern, was Innsbruck gestern erlebte, Es war Innsbrucks größter Tag, der nicht verheißungsvoller für den Aufbruch der neuen Zeit, die der Nationalsozialismus für Österreich bringen wird, hätte verlaufen können. (…) wer dabei war, wird dieses Erleben für immer mit sich tragen“
Innsbrucker Nachrichten, 12. März 1938
Der 11. März sah in Innsbruck den Aufmarsch von rund 15.000 Unterstützern des NS-Regimes. Sie zogen die Maria-Theresien-Straße hinunter in Richtung Landhaus, wo sich ihnen jedoch die Polizei mit gefälltem Bajonett entgegenstellte. Die Kolonne drehte daraufhin ab und marschierte weiter zur Anichstraße. Nachdem die NS-Demonstranten weiter durch die Innenstadt gezogen waren, hielt der Leiter der Nationalsozialisten in Tirol, Edmund Christoph (1901–1961), eine Ansprache von einem Fenster des Gasthofs Alt-Insprugg aus. Er rief die NS-Anhänger zu Disziplin und Ordnung auf, um die Verhandlung auf oberster Ebene nicht zu stören.
Im Laufe des Nachmittags trafen die Nachrichten vom Rücktritt Schuschniggs und der geplanten Verschiebung der Volksbefragung, die ursprünglich auf den 13. März angesetzt worden war, in Innsbruck ein. Die Neuigkeiten wurden von den Nationalsozialisten mit tosendem Jubel aufgenommen, ebenso die, dass Arthur Seyß-Inquart (1892–1946) „die Regierungsgeschäfte übernommen“ hatte. Abteilungen der SA besetzten noch am selben Abend das Landhaus, die SS bezog bald darauf Wache vor dem Regierungsgebäude.
Als am folgenden Tag die Wehrmacht die österreichische Grenze überschritt, befand sich Innsbruck bereits in nationalsozialistischer Hand. Ein Umstand, auf den die Tiroler NS-Anhänger nicht ohne Stolz verwiesen – zumindest bis 1945. Für Kurzentschlossene waren beim Juwelier Trenkle in der Anichstraße und im Sporthaus Schmid in der Wilhelm-Greil-Straße offizielle Hakenkreuznadeln für einen Schilling zu haben.
Der Vorstoß der Wehrmacht wurde in Tirol von einer MG-Kompanie sowie motorisierten Panzer- und Luftabwehrkanonen angeführt. Sie machten kurz vor Innsbruck halt um auf die restlichen Truppen der Infanterie zu warten. Vor der Stadt putzten sich die Soldaten heraus, während mehrere Lieferwagen mit Hakenkreuz-Fahnen in der Stadt eintrafen.
Als die Truppen anschließend am 12. März triumphal in Innsbruck einzogen, fiel einem amerikanischen Beobachter ein besonderes Detail ins Auge:
„School children wearing armbands of the Hitler Youth Movement lined the curbs two-deep for many blocks. The only painful impression was created by an elderly Jewish woman seen holding out her trembling hand in a Hitler salute and quavering the Horst Wessel song.
According to Innsbruck Nazis, most Jewish merchants in the city fled the country last night. Most of them escaped in taxi-cabs across the Italian frontier. It was necessary for many of them to liquidate by forced sale within 24 hours businesses some of which for centuries had been in the same family.”
The Washington Times, 12th of March, 1938
(Einrücken der Wehrmacht in Innsbruck, Signatur Ph-G-16286)
Furchtbar, schaurig und beschämend was sich bei uns abgespielt hat. Niemals darf sich das wiederholen!
Da muss ich dem Herrn Nikolaus voll und ganz zustimmen.
Eine damalige Verkäuferin beim „Vorarlberger Baumwoll- und Restenverkauf“ erzählte vom Frühjahr 1938:
„Und glei waren scho die deutschn Weiberleit bei ins im Gschäft und ham gfragt „Ham Sie dies? und ham Sie das? (Bittschön und Dankschön sag i! – dee nit, dee sagn höchstens „ach“) und – leerkafft ham’s uns! Wo ma gmoant ham, denen da draußn geahts aso guat…!“
Der Einmarsch in Österreich wurde natürlich auch in Deutschland im Radio übertragen, wo meine Mutter die Sendung mitbekam. Sie erinnerte sich wie ihre ältere Schwester angesichts des aus dem Lautsprecher quellenden Jubels der Österreicher ausrief „Jetz loos emol wiä sie brialä, de Dubel!“ (Horch einmal, wie sie brüllen, die Deppen). Alles gesagt.
Trotzdem darf man die nicht zu unterschätzende unterschwellige Einschüchterung der Bevölkerung schon vor dem Einmarsch nicht vergessen. Das Foto von einer illegalen Nazidemo in der M. Theresienstraße mit wüsten grobbeschuhten Schlägertypen als Phalanx ist aus den Büchern zur lokalen Zeitgeschichte ja bekannt. Und wenn man einmal glaubt, sich nicht wehren zu können, liegt die Flucht in die trügerische Sicherheit des feindlichen Lagers nahe. Der unnötig martialische Aufmarsch als Einstand der neuen Herren war eine nicht wahrgenommene Warnung vor dem, was noch kommen sollte. Sind wir heute gscheiter?
Nein, wir sind leider nicht gscheiter. Mein Vater – er mussten in dieser Zeit den Afrikafeldzug mitmachen – würde nur denn Kopf schütteln wenn er die Berichte der heutigen Krige und Gewalt mitbekommen würde. Für ihn war Krieg Wahnsinn und alle die Kriege betreiben Wahnsinnige. Leider lebt er nicht mehr, wie so viele, und leider gerät dieses Urteil über den „Wahnsinn Krieg“ wieder in Vergessenheit.
Jaaa! Ihre Herkunftsfamilie hatte ja das zweifelhafte „Glück“, den „Führer“ und seine PG’s schon einige Jahre erlebt zu haben…
Ich erinnere mich an einen aus Karlsruhe stammenden Priester und Religionslehrer, der nicht nur in Innsbruck studiert hat, sondern auch hier als Priester und Religionslehrer tätig war – auch ich war ein Jahr lang seine Schülerin (Guter Fotograf übrigens auch).
Er erzählte: „Was haben wir gewarnt – und gewarnt – und aufgeklärt! Wir wußten ja aus den Berichten unserer Angehörigen, wie’s „hinter den glänzenden Kulissen“ in Wirklichkeit aussieht… und mußten dann erleben, wie gerade die, welche wir glaubten erreicht zu haben, bei dem Aufmarsch jubelnd mitmarschierten. – Die anderen hingegen, die teilnahmslos und halb abwesend im Unterricht dagesessen waren – d i e haben n i c h t mitgetan…“
Von diesem Priester und Religionslehrer wurde mir übrigens berichtet, er habe am Beginn einer Predigt gesagt
„Und besonders begrüßen möchte ich die Herren der SA, die uns heute die Ehre geben, der Messe beizuwohnen und meiner Predigt zu lauschen…“, worauf sich in der Kirche natürlich alle umgedreht haben sollen – und tatsächlich seien da 4 Männer gestanden, breitbeinig, mit verschränkten Armen und finsterem Blick.
War es gleich nach diesem Gottesdienst – oder später? – daß dieser Priester gleich nach der Messe aus der Sakristei hinaus – gleich sein vorsorglich bereitgestelltes Motorrad bestiegen habe – und abgebraust sei? Ich habe dies nur aus den Erzählungen eines damals ungefähr 10 – 12 jährigen – nicht nur in seiner Jugend eifriger Ministrant und Stütze der jeweiligen Pfarrgemeinde und einer dazugehörigen Wallfahrt.
Ob dieser Priester bei seinen „Schäflein“ beliebt war?
Ich fürchte – nein. Denn er war ja „a Deitscher“, dazu „allweil so gscheit“ und „a spöttischer Hund“ war er überdies.
Und in einer Kirche in der Innenstadt wurde am darauffolgenden Sonntag (nehme ich an) die Predigt mit den Worten „Gott segne diese trefflichen Recken aus teutschen Landen…begonnen“. Das erwähnte mein Vater einmal: Seine Mutter kam etwas verdattert von der Kirche zurück und meinte, sie verstünde wegen dieser Predigt die Welt nicht mehr.
Ja, Sie sagen es richtig: Auch hier war „das Lager gespalten“….
….noch dazu,wo der von Ihnen erwähnte Herr sich jederzeit auf Röm 13/1-5 berufen hätte können,,,
Liest man allein DIESE Verse, wäre jedes verbrecherische Regime legitimiert. Es gibt aber auch noch die Verse Röm 13/8 – 10, und dann sehen wir das in einem anderen Licht…
Ja, das haben leider die Bibel und der Teig für Apfelstrudel gemeinsam – man kann sie hauchdünn ausziehen und mit beliebiger Fülle versehen – also auch „jeden Topfen“ hineingeben und – gut aus- gebacken – dann servieren….
Na ja, OK, dann sollte man aber auch nicht mit Bibelzitaten herumschmeissen, gelle ?
es wäre mal interessant aufzuarbeiten wer da in den ersten Reihen stand und nach 45 sich an Nichts erinnern konnte.
ALLE ! Ab Mai 1945 gabs keine Nazis mehr, waren alle plötzlich verschwunden…wahrscheinlich geflüchtet, auf der „Rattenlinie“ mit Hilfe der Kirche nach Südamerika und so. Jedenfalls in Österreich hats keine mehr gegeben…
…..und irgendwann sind sie dann – nach und nach – als „Minderbelastete“ wiedereingestellt worden – undso einer hat dann – es muß nach 1960 gewesen sein – zu mir gesagt „Verstian Sie, was insere Madln an dee ganzn Kameltreiber finden? De sein decht alle schiach wie die Affn! A fescher blonder Bursch in oaner Lederhosn isch decht viel schianer!“
Damals sah man die ersten Studenten aus dem ägyptisch-arabischen Raum in Innsbruck…