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Lebende Bilder: Mit Den Augen Des (un)bekannten Fotografen XXXVII

Lebende Bilder: Mit den Augen des (un)bekannten Fotografen XXXVII

„Menuett Uhr Innsbruck 1913“, hat Rudolf Vetter von der Lilie diese Aufnahme betitelt. Vor einem Vorhang posieren vier Männer und vier Frauen in barocker Kleidung und Perücken auf einem wohl ca. drei Meter hohen Nachbau einer barocken Uhr. Wie man erkennen kann, ist es nicht allen von ihnen geglückt, über die ganze Belichtungszeit still zu halten.

Was wir hier sehen, ist ein sogenanntes „Lebendes Bild“, auch „Tableau Vivant“ genannt. Bei diesem „Verbindungsglied zwischen bildender und darstellender Kunst“ (Birgit Joos) wurden bekannte Szenen oder Werke nachgestellt. Vorformen gab es schon in der Antike bzw. später im Rahmen von mittelalterlichen und neuzeitlichen kirchlichen, höfischen und politischen Anlässen. Ab dem 18. Jahrhundert wurden tatsächlich konkrete Kunstwerke nachgeahmt.

Im 19. Jahrhundert erfuhr die Kunstform der „Lebenden Bilder“ eine große gesellschaftliche und inhaltliche Ausweitung. Bei der silbernen Hochzeit von Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth 1879 kamen zum Beispiel historische Szenen aus der Geschichte des Kaiserhaues zur Aufführung. Künstlergruppen stellten öffentlich Allegorien oder Szenen aus Musik und Literatur nach, und verbanden so Unterhaltung und Bildung. In der Revue und im Varieteé hingegen war Bildung ein Vorwand für Erotik: berühmte historische Gemälde dienten als Rahmen, um nackte Körper zeigen (und ansehen) zu dürfen. Turnvereine trainierten mit Lebenden Bildern Körperhaltung, Ruhe und Ausdauer. Und ab dem Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte auch die Arbeiterbewegung die Tableaus, um Inhalte von Reden dramatisch zu untermalen, etwa durch die Nachstellung der Freiheit. Tableaus waren aber nicht nur eine Form der öffentlicher Präsentation, sondern auch eine beliebte Unterhaltung von adeligen bis kleinbürgerlichen Kreisen. (Joos, S. 259ff) Wie man aus obigen Bild ersehen kann, boten solche Anlässe auch die Möglichkeit, dass sich junge Männer und Frauen näher kommen konnten. Womöglich ist eine der Mitwirkenden Auguste, die damals 21-jährige Tochter des Grafen?

Dass die Vetters an der Darstellung lebender Bilder mitgewirkt haben, ist durch einen Bericht der Innsbrucker Nachrichten am 4. November 1909 belegt. die Presse belegt. „Gestern veranstalteten Statthalter Baron Spiegelfeld und seine Gemahlin einen Teeabend, verbundenen mit der Vorführung lebender Bilder“, heißt es einleitend. Dazu war „ein distinguierter Kreis“ aus Verwaltung, Politik, Adel, Wissenschaft und Kunst geladen, dessen Aufzählung in etwa ein Drittel einer Zeitungsspalte füllte. Die im Anschluss an den Tee präsentierten lebenden Bilder „boten einen Überblick über die Entwicklung der Kunst von den frühesten Zeiten bis zur modernen Sezession“. Theodolinde Gräfin Vetter von der Lilie bildete dabei mit „Die Quelle. Sezession“ den Abschluss.

Innsbrucker Nachrichten, 4. November 1909, S. 4 (Montage).

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-Pl-766)

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