Zurück an die Arbeit
Schon in den ersten Monaten nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich österreichweit die Erkenntnis durch, dass man zur Reintegration der gesund aus dem Feld zurückgekehrten jungen Männer in die Volkswirtschaft ein neues System der Arbeitsvermittlung benötigen würde. Die Industrie brauchte Kräfte, das Volk suchte Arbeit. Gesellschaftlich legte man erst einmal den Rückwärtsgang ein: Die Frauen, die in den Fabriken die Männer ersetzt hatten, sollten wieder zurück an den Herd und an die Kinderkrippe geschickt werden. Somit wurde ein von Wirtschaft und Arbeitnehmerseite paritätisch besetztes System erfunden, das man Arbeitsamt nannte und das zunächst am Margarethen/Boznerplatz angesiedelt wurde. Bald stellte sich der Vorteil für beide Seiten heraus und das Konzept wurde professionalisiert. Ab 1930 war die „Industrielle Bezirkskommission“ zuständig und löste lokal geführte Vorläufer ab. Ein Bauplatz in der Schöpfstraße wurde gefunden und Anfang 1931 ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Ein gewisser Theodor Prachensky zeichnete ein modernes Dienstleistungshaus, das alle überzeugte und das schon im Dezember 1931 bezogen werden konnte.
Von 1933 bis 1945 stand das AMS im Dienst der verschiedenen totalitären Systeme, die Arbeitskräfte oft nur als tendenziell links wählende, der Faulheit verdächtigte und dem Kapital gegenüber respektlose Baraber erkannten, im NS-Staat dann Menschen aus halb Europa zwang, im Deutschen Reich zu unwürdigen Bedingungen für die Kriegswirtschaft zu arbeiten, um dann nahtlos nach 1945 die belasteten Nationalsozialisten zu Aufräumungskolonnen einzuteilen. Die Politik brauchte das Arbeitsamt offenbar immer mehr, als das AMS die Politik brauchte. In den Jahren von Wirtschaftswunder und Vollbeschäftigung muss es recht langweilig gewesen sein, in diesem Service zu werken: Es gab mehr Arbeit als Arbeiter*innen, bis hierfür durch die Arbeitskräfte-Überlassungsabkommen/Anwerbeaktionen mit Spanien 1962 (fast unbekannt – es kam niemand), der Türkei 1964 und Jugoslawien 1966 eine Lösung gefunden wurde, die überraschenderweise nicht nur den Arbeitsmarkt sondern auch die Gesellschaft nachhaltig veränderte. „Arbeitskräfte hat man gerufen, Menschen sind gekommen“ schrieb Max Frisch schon 1965.
Aus dem Weltraum sieht das Arbeitsamt wie ein Puzzlestein aus. Vielleicht ein schönes Bild für die Rolle in der Mitte der Gesellschaft und für Pufferfunktion zwischen Kapital und Arbeit. Wäre ich AMS Chef von Tirol gewesen, ich wäre nie aus dem schönen Prachensky-Bau ausgezogen, der heute von der Universität für ein psychologisches Studierenden-Beratungssystem genützt wird und dessen Leiter (der wahrscheinlich aus anderen Gründen dafür eingestellt wurde und der diesen Kalauer vielleicht gar nicht mehr hören kann) passenderweise ein Dr. Schöpf ist.