Wer erkennt die meisten Firmenschilder?
Maria-Theresien-Straße an der Ecke Meranerstraße mit der Blickrichtung Norden. Das ist noch nicht das größte Rätsel in diesem Forum. Der Mann mit der Schieberkappe trägt übrigens keinen Golfschläger – dann wäre es wohl ein Sand Wedge – sondern eher seinen Spazierstock kopfüber. Der Radfahrer achtet einhändig lenkend peinlich genau darauf mit seinen Reifen in die Straßenbahnschienen zu geraten. Der Hut wäre da kein guter Hohlraumschutz.
Der Mann rechts führt zwei kleine Mädchen an der Hand. Das eine wohl mit einem Strohhut, die andere ist wohl noch ein bisschen unsicher auf den Beinchen.
Die Aufnahme stammt übrigens vom Innsbrucker Fotografen Karl Dornach. Sein „Atelier Reform“ findet sich in den Adressbüchern in der Kiebachgasse 2 in den Jahren 1902 bis 1908. Danach von 1909 bis 1926 in der Welsergasse 8 und schließlich bis 1937 in der Salurnerstraße 7/9. Dort scheint er auch bis 1944 als Bewohner auf.
Doch der Reiz dieser Aufnahme liegt eigentlich wo anders. Dieses etwas milchige Foto zeigt uns ein Panorama des dortigen Wirtschaftslebens. Bekannte und weniger bekannte Unternehmen. Wie viele können Sie identifizieren? Es könnte eine längere Liste werden. Hoffentlich…
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck; Sommer 4_311)
Auf jeden fall lässt sich das Foto ziemlich genau auf 1909/1910 datieren, die Oberleitung für die Straßenbahn hängt bereits in der Leopoldstraße, aber der Pylon vom Stadttor steht noch
Ich habe versucht, dem Foto einige nützliche Informationen zu entlocken. Hier ist das Ergebnis.
Am linken Bildrand ist das Gebäude Maria-Theresien-Straße 36 zu erkennen, in dem sich heute eine Filiale der UniCredit Bank Austria befindet. Laut Fischnaler wurde das Objekt im Jahr 1906 errichtet (Innsbrucker Chronik, Teil IV, S. 70). Bereits am 12. März 1905 erschien in der Architekten- und Baumeister-Zeitung folgende Ankündigung: „Die Oesterreichische Kreditanstalt in Wien hat das Haus Maria Theresienstraße 36 angekauft und wird an Stelle desselben einen allen Anforderungen der Neuzeit entsprechenden Neubau aufführen lassen, da die stetig wachsenden Geschäfte der Filiale Innsbruck eine Vergrößerung der jetzigen Räumlichkeiten erfordern.“ (Quelle: ANNO-Zeitungsarchiv https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=abu&datum=19050312&query=%22Maria+Theresienstra%c3%9fe+36%22&ref=anno-search&seite=2.Die) Aufschrift kann ich leider nicht entziffern.
Zur selben Zeit befand sich vis-à-vis, an der Ecke Maria-Theresien-Straße / Landhausstraße 1 (heute Meranerstraße), eine Filiale der Anglo-Österreichischen Bank. In der Rubrik „Volkswirtschaftliches“ berichteten die Innsbrucker Nachrichten am 18. April 1910: „Wieder eine Bankfiliale in Innsbruck. Die Anglobank mietete im Neubau des Herrn Pohlschröder, Ecke Landhaus- und Maria-Theresienstraße, einen Teil der Parterre-Lokalitäten zur Errichtung einer Filiale. Es ist dies die zehnte Bankfiliale, die Innsbruck erhält.“
Ein auf der Webseite von Josef Auer https://josefauer.com/innsbruck-1910-anglo-oesterreichische-bank/?utm_source=chatgpt.com veröffentlichtes Lichtbild zeigt das Gebäude um das Jahr 1910. Die vorliegende Fotografie bestätigt Details, die mit dem Bild aus der Sammlung Auer übereinstimmen – insbesondere das markante Eingangsportal sowie die hochrechteckige Tafel an der Seitenfassade mit der Aufschrift „Anglo Bank“ (die übrige Beschriftung ist nicht lesbar). Die dominierende Aufschrift „Anglo-Österr. Bank“ fehlt jedoch auf der hier vorliegenden Aufnahme.
Was geschah mit dieser Bank? Im Zuge zahlreicher Umstrukturierungen im österreichischen Bankwesen wurde die Anglo-Österreichische Bank 1926 in die Creditanstalt-Bankverein integriert, die später wiederum mit der Bank Austria fusionierte. Damit verlor auch die Filiale in Innsbruck ihre Eigenständigkeit. Panta rhei – alles fließt, besonders Geld und Vermögenswerte.
Weitere auf dem Lichtbild erkennbare Firmen:
Links im Bild ein Firmenschild mit der Aufschrift „Papier Tschoner“ (Maria-Theresien-Straße 34). Firmengründer war Ferdinand Tschoner, ursprünglich Betreiber einer Kolonialwarenhandlung mit Papierhandel am Marktgraben Nr. 27 (Innsbrucker Nachrichten, 19. Dezember 1878, S. 14). Bereits 1883 entwickelte sich das Geschäft zur Papier-Fabriks-Niederlage (IN, 27. Juli 1883, S. 14). 1906 wurde die Papiergroßhandlung von seinem Sohn Othmar weitergeführt.
Auf der rechten Straßenseite erkennt man ein Firmenschild mit dem Namen „Witting“. Eine Werbeeinschaltung lautete: „Aparte Sportskostüme und Touren-Kleidung Alois Witting, Maria-Theresienstraße 39, neue Ausstellung im 1. Hof, und Landhausstraße 3 Ecke“ (IN, 21. Juni und 8. August 1904, S. 11 und 18).
An der Kreuzung Maria-Theresien-Straße / Anichstraße 2 ist das Café Maximilian zu sehen, daneben das Geschäft des Posamentierers Josef Zelger (MT 32, Ecke Anichstraße 3). Posamentierer stellten kunstvolle textile Besatzartikel wie Borten, Schnüre oder Quasten her, die etwa für Kleidung oder Möbel verwendet wurden.
Nicht eindeutig lesbar ist die Aufschrift auf dem sogenannten Schrotthaus Maria-Theresien-Straße 37. Eigentümer dieses Gebäudes waren die Kaufleute Victor und Hugo Schwarz. Näheres zur Familie Schwarz und ihren Unternehmen findet sich im Tiroler Anzeiger vom 2. März 1935 https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=tan&datum=19350302&seite=14&zoom=33
Und nicht zu vergessen, das Fotogeschäft von Fritz Gratl in der Maria Theresienstraße 34.
Wer schaut bei so wunderschönen Straßenlaternen schon auf Firmenschilder?