Warum sollte Innsbruck dieselbe Zeit wie München haben?
Teil 1 von 3 einer Serie zu Zeit-Geschichten rund um öffentliche Uhren der Stadt
Anfang des Jahres 1861 hatte die k. k. Post-Direktion für Tirol und Vorarlberg Zeitprobleme, besser gesagt Probleme mit den öffentlichen Uhren in der Stadt:
„So war beispielsweise vor einigen Tagen die Servitenuhr gegen die Stadtuhr um beinahe 15 Minuten zurück, und wieder diese gegen die Bahnuhr zurück, obschon sie sonst, da die Bahnuhr nach der Münchner Zeit gestellt ist, eine um ein paar Minuten frühere Zeit zeigen sollte.“
Was diese Passage aus einem Brief an die Stadt Innsbruck veranschaulicht: Es herrschte Verwirrung. Für die Post bedeutete das, neben dem Ärger mit Kundinnen und Kunden, vor allem auch Ärger mit der Eisenbahn. Die Post war nicht pünktlich am Bahnhof, die Abfahrt des Zuges verzögerte sich. So wurde das Magistrat gebeten, die Uhren der Stadt in Einklang zu bringen.
Wenige Tage später folgte die sachliche Antwort:
„Die Stadtthurm-Uhr wird stets nach der mittlern Sonnenzeit gestellt, und die übrigen öffentl. Uhren werden stets hienach gerichtet.“
Nachdem die Serviten-Uhr Privateigentum sei, habe man auf diese keinen Einfluss. Und hinsichtlich der Uhr am Bahnhof erlaube man sich die Frage, warum diese Münchner Zeit zeigen müsse? Wo man doch nach Innsbrucker Zeit einsteigen kann und die paar Minuten, die zwischen Innsbrucker und Münchner Zeit liegen, durch die Fahrt ausgeglichen würden. Denn diese dauere – aus Erfahrung – nie gleich lang. Eine schöne Argumentation – für heute wohl zumindest ungewohnt.
Das zur Stellungnahme aufgeforderte zuständige Stadtbauamt verwies auf eine Reparatur und Korrektur der Stadtturmuhr vor wenigen Jahren und deren seither guten Gang. Trotzdem seien „im Publikum höchst drollige, auf Unkentniß beruhende Bemerkungen“ im Umlauf; dass
„nun wegen ein bar Versäumnißen der hiesigen Postdirecktion, die Serviten Uhr, und resp. die Stadtuhr die Schuld haben soll, ist eben so thöricht, als wie die Münchner und Innsbrucker Uhren miteinander und ohne Abweichung harmonieren sollten“.
Warum also die Zeit vereinheitlichen? Aber es war einzusehen, dass das Ansehen der Stadtuhr gelitten hatte. Zukünftig sollte deshalb ein Uhrmacher diese aufziehen und regeln und so für Vertrauen sorgen. Ende Mai 1861 kündigt das Stadtmagistrat dem Turmwächter und erteilt dem Großuhrmacher Wendelin Jäger den Auftrag,
„daß die Thurmuhr alltäglich entweder von ihm selbst oder durch einen verläßlichen Menschen aufgezogen u. nach dem Meridian u der mittlern Zeit regulirt werde“.
Jäger soll fast 400 Turmuhren konstruiert haben, darunter eine für die Innsbrucker Jesuitenkirche, aber auch eine in Milwaukee in den USA. Nach zwölf Jahren Stadtturmuhr-Wartung kündigte er Ende 1873 mit der Begründung:
„Meines ausgebreiteten Geschäftes wegen, welches mich jährlich recht oft geschäftlich von hier entfernt, kann ich diesen Dienst nicht weiter mehr versehen.“
Es fehlte ihm schlicht an der Zeit, die Uhr aufzuziehen.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Kr-Dia-405)
Diese Zeit-Geschichte war Teil des Stadtspaziergangs „Auf der Suche nach der öffentlichen Zeit“, den Sie zum Nachhören unter 5nach12.info/audio/ finden.
Der Beitrag entstand im Rahmen des Projekts „5 nach 12“ von islandrabe, das der Frage nachgeht, wie wir selbst im Takt der Zeit funktionieren und was uns davon abhält, zu bremsen oder gar anzuhalten.
Wenn auch der Stadtspaziergang wie explizit angegeben um 10:30 nach MEZ starten wird, werde ich doch versuchen bereits um 10:30 nach der Stadtturmuhr dort zu sein, die mit Hilfe von Meister Jägers Nachfolgern am 14.10. durchaus synchron mit München noch die Sommerzeit MESZ zeigen wird.
Ja, bitte nach der Stadtturmuhr richten; Danke für den Hinweis auf das fehlende „S“!