Waldsauna statt Waldbad
Im Frühjahr 1957 war Kurt Reuter fotografisch unterwegs und dokumentierte den Blick auf die Christuskirche. Aufmerksame Leser:innen dieser Seiten wissen natürlich sofort, um was es im Folgenden gehen wird. Schließlich flüsterte beim jüngsten, völlig entspannten weil schon lang gelösten Rätsel der bei Herrn Hirsch eingebaute advocatus diaboli ihm zu, „daß wir hier von der Sauna (bestenfalls) nur ein Nebengebäude sehen, wenn nicht überhaupt nur die Hinweistafel und das gemütliche Hüttl dient dem Zuspruch der affichierten Getränke.“ Schließlich werde ein „sehr professionell geführtes Dampfbad mit einem weit gefächerten, auch medizinischem Angebot“ wohl nicht in einem „Waldhüttl“ untergebracht sein. Klingt logisch. Aber, da versuchte der Teufel wohl, uns in die Irre zu führen.
In die Irre führt auch das Titelbild. Denn mit diesem Blickwinkel gehen die Baracken eher nicht als Rennweg 16a (heute Teil von Rennweg 18) durch. Aber sie deuten zumindest die dortige Bausubstanz an, die aus dem Schriftverkehr ganz deutlich hervorgeht:
Im März 1952 suchte die damals 26-jährige Medizinerin Dr. Herta Lenninger um Erteilung einer Gewerbeberechtigung zur Führung eines Saunabades am Rennweg 16a an. (Sie hatte damals den Studienabschluss wohl erst vor kurzem hinter sich, denn das Adressbuch von 1953 führte sie irrtümlich noch als Studentin.) Aus der Beantwortung des Stadtbauamtes geht hervor, dass das Anwesen aus „zwei zusammengebauten nichtunterkellerten, ebenerdigen Holzbaracken“ bestand, die im Juli 1948 der Landesleitung der Heimkehrer- Hilfs und Betreuungsstellen als Behelfsbauten bewilligt worden waren. „In der von der Straße abgekehrten Baracke soll nun nach Vornahme von Adaptierungsarbeiten ein Sportsauna-Betrieb eingerichtet werden […]. Im freien Gelände hinter dem Gebäude (gegen Süden) ist die Errichtung eines kleinen Sonnenbades geplant.“ Das Bauamt erteilte die Bewilligung unter 24 verschiedenen Bedingungen. Darunter bezeichnenderweise als Punkt Sex 6. „Aus Schicklichkeitsgründen ist die Trennung der Geschlechter unbedingt erforderlich.“
Von den involvierten Parteien hatten fünf keine Einwände, die sechste erhob hingegen Einspruch, weil der Betrieb des Saunaofens „die Umgebung durch Rauch und Ruß“ belästigen werde und das Sonnenbad eine „empfindliche Ruhestörung der Nachbarschaft“ mit sich bringen werde. Erfolglos, denn einerseits handelte es sich um eine elektrisch beheizte Sauna ohne Rauch- und Rußbildung und andererseits sei auch eine untragbare Lärmentwicklung unrealistisch: „Schließlich und endlich muß doch den Besuchern der Sauna zugemutet werden, daß sie wissen, wie sie sich zu benehmen haben; für Kinder und Jugendliche ist der Besuch des Bades sowieso verboten“.
Die Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für Tirol unterstütze das Ansuchen ebenfalls: „Da bereits in allen größeren Städten Österreichs Saunabäder bestehen, ist für Innsbruck als eine der führenden Fremdenverkehrsstädte des Landes der Bedarf eines modern eingerichteten Saunabades gegeben.“ Kann es wirklich sein, dass das 1952 eröffnete „Waldhüttl am Rennweg“ damals tatsächlich Innsbrucks erste Sauna war? Wenn man den Quellen glauben schenken darf, dann ja. „Es bestehen wohl Wannen- und Brausebäder, auch Dampf- und Heilbäder“, aber, so die Kammer: „Ein Saunabad ist in Innsbruck neu.“ Dieses touristische Novum war übrigens ab 1954 auch in den Stadtplänen der Reiseführer verzeichnet:
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, KRNE-8368; Inhalt: Sammelakt Abt. I-6635/1964. Abs. 5)
Die Dr. Lenninger´sche Sauna war bestimmt nicht die erste Sauna von Innsbruck. Bereits in den 1930er-Jahren gab es eine finnische Sauna beim Tivoli. Die Innsbrucker Nachrichten vom 26. November 1934 berichten zu diesem Thema:
„Von der Innsbrucker Sauna.
Im vergangenen Sommer unternahmen, wie berichtet, die
beiden bekannten Innsbrucker Sportler Dr. Anton Obholzer
und Fred Schatz eine Reise nach Finnland. Neben der
finnischen Hochschule für Leibesübungen, den verschiedenen
prachtvollen Sportanlagen, den Trainingsmethoden der großen
finnischen Meister der Laufbahn, des Speeres oder des Schnee
schuhs hat vor allem eine der dortigen Einrichtungen die Auf
merksamkeit und die Bewunderung der beiden Tiroler erweckt:
die Sauna.
Nun, daß man unter einer Sauna eine finnische Dampfbade
stube versteht, in der die Dampferzeugung durch das Begießen,
richtiger ausgedrückt, durch das Beträufeln glühend heißer
Backsteine mit kaltem Wasser bewerkstelligt wird, und daß man
in den überaus wertvollen Einwirkungen dieses Dampfbades
auf den menschlichen Körper nicht zuletzt die großen Wetterfolge
der nordischen Athleten zuschreibt, das kann als bekannt vor
ausgesetzt werden.
Kein Wunder also, daß die von den wohltuenden Wirkungen
dieser Sauna restlos begeisterten Innsbrucker nach ihrer Rück-
kehr sofort alle Hebel in Bewegung setzten, um auch in
Innsbruck die Errichtung einer solchen, vornehmlich für
Kampfsportler wichtigen Badestube anzustreben. Den beiden
Finnlandbesuchern ist es zu danken, daß Innsbruck in kürzester
Zeit schon eine solche Sauna besitzen wird. Dank dem Ent-
gegenkommen offizieller Stellen und der Opferfreudigkeit
einiger privater Spender ist es möglich geworden, in einem
Barackenbau am SportplatzTivoli bereits mit den Vor-
arbeiten zu beginnen, die allerdings dadurch bedeutend erleich-
tert und verbilligt werden, daß schon vor Jahren einmal diese
Neueinrichtung angestrebt wurde. Es wurde damals ein für
diese Zwecke zur Verfügung gestellter Kellerraum ausbetoniert
und sogar Brauseanlagen eingebaut, aber dann wurde aus un-
erklärlichen Gründen der Bau plötzlich eingestellt.
Immerhin kommen nun die baulichen Anfänge von damals
jetzt sehr zugute. Da, wie gesagt, die Betonierung des Fuß
bodens bereits früher erfolgte, wird zunächst der Raum ver-
täfelt; ebenso werden Sitzbänke angebracht, zu welchem Zweck
das Holz vom Landessügewerk gratis zur Verfügung gestellt
wurde. In entgegenkommender Weise hat die Stadtgemeinde
Innsbruck die kostenlose Durchführung aller Maurer-, Tischler-
und Installationsarbeiten übernommen, während die heimische
Firma No rer kostenlos die zum Bau des Ofens nötigen
Ziegel zur Verfügung stellte. Man rechnet damit, da die Ar-
beiten flott durchgeführt werden, mit der Fertigstellung in un-
gefähr zwei Wochen.
Sobald die Sauna benützbar sein wird, werden die Anreger
und Förderer dieser im Interesse aller Tiroler Sportler be-
grüßenswerten Neueinrichtung eine Zusammenkunft von Ver-
tretern aller jener Innsbrucker Sportvereine einberufen, die
für die Benützung der Sauna Interesse zeigen. Sache dieser
Versammlung wird es sein, den Badebetrieb in einer alle Teile
gleich befriedigenden Weise zu regeln und vor allem den Preis
für die Badbenützung iestzusetzen. Denn die Kosten des Brenn-
materials müssen natürlich von den Benützern bestritten wer-
den. Wenn auch erst die ersten praktischen Versuche eine genaue
Berechnung zulassen, so dürfte sich erfahrungsgemäßen
Schätzungen nach doch ein Bad für eine Einzelperson kaum
höher als auf 50 Groschen stellen.“
Danke für den interessanten Bericht. Noch eine Barackensauna. 🙂 Die Frage ist halt, wie lange es die Sauna aus den 1930er-Jahren gab. Denn aus den Unterlagen geht doch recht deutlich hervor, dass es zumindest 1952 keine vergleichbare Einrichtung mehr gab.
Ja, zumindest nach dem 2. Weltkrieg war die Sauna am Rennweg die erste derartige Einrichtung im Stadtgebiet.
Aus der Zeitschrift „Berichte und Informationen des österreichischen Forschungsinstituts für Wirtschaft und Politik“ vom 20. Januar 1950 geht interessanterweise hervor, dass die Sauna am Tivoli im Krieg zerstört wurde und als große Besonderheit anscheinend sogar die erste öffentliche Sauna in ganz Mitteleuropa war. Ein Umstand, der heute wohl völlig in Vergessenheit geraten ist. Es wird berichtet:
„Daß die Sauna aus dem Norden unseres Kontinents zu uns
kommt‚ weiß heute bald jedes Kind, aber auch der ausgelernte
Österreicher wird die Frage, wo das erste Saunabad Mittel-
europas entstanden ist, meist falsch beantworten… Er wird
auf das Olympische Dorf in Döberitz bei Berlin tippen‚ aber
in Wirklichkeit befand es sich auf dem Tivoli-Sportplatz in
Innsbruck schon seit 1934. Diese Sauna ist ebenso wie die
des Wiener Dianabades im Kriege zerstört worden.“
Auf diesem schönen Luftbild aus dem Jahr 63 sieht man dieses in Holzbauweise errichtete ebenerdige Haus am Rennweg besonders gut. Da sieht man auch, aus welcher Richtung wir auf die Sauna blicken und der Richtungspfeil erklärt sich von selbst.
https://postimg.cc/RJx98jtJ