Waffenräder
Der Claudiaplatz im Saggen. Eigentlich ein eher beschaulicher, aber vor allem ein sicherlich gesetzestreuer Ort. Umso mehr verwundert es, dass wir hier Augenzeugen eines Waffentransportes werden. Sogar eines organisierten. Immerhin entschwindet der zweite Täter gerade am rechten Bildrand. Da die beiden Männer Uniformen tragen, handelt es sich entweder um Soldaten oder besonders heimtückische Täter.
Besonders störend sind die beiden in der idyllischen Nachmittagsszenerie, die wir hier eigentlich sehen: Eine Mutter radelt mit dem Baby im Korb um den Kreisverkehr. Vor dem Hörtnagl sind eifrige Hausfrauen – ganz im Stil der Zeit – geschäftig dabei die letzten Einkäufe für das Abendessen zu kaufen. Die Blumen sind akkurat im eingezäunten Feld gepflanzt.
Vielleicht kann ein Waffen-affiner Mensch was zu den unterschiedlichen Kalibern sagen?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum)
Der Anbau mit der Hörtnagl-Filiale stammt aus dem Jahr 1931 und wurde vom renommierten Architekten Wilhelm Nikolaus Prachensky entworfen. Dazu passt auch dieser Beitrag mit einer weiteren Ansicht:
https://innsbruck-erinnert.at/konsumloser-claudiaplatz-4/
Zu den drei „Kanonen“ am Rücken des Soldaten kann ich nichts sagen, da ich zum glücklichen Jahrgang gehöre, der für den zweiten Weltkrieg zu jung und für das Bundesheer schon zu alt war.
Aber in allen Armeen gab es Radfahrkompanien, in der Schweiz sogar bis vor einigen Jahren.
Dafür war mein erstes Fahrrad ein Steyr Waffenrad, welches mir mein Onkel hergerichtet hatte und mit dem ich 1953 immerhin bis nach Venedig kam! Bis zum Brennersee sind wir allerdings mit der Bahn gefahren, bei der Abfahrt von der Station baute ich schon meinen ersten Sturz!
Die Aufnahme dürfte aus den 1950er sein.
Beim voll abgebildeten Soldat erkenne ich zwei Karabiner und ein L-MG=leichtes Maschinengewehr. Den längeren Karabiner kann ich
nicht mit Sicherheit bestimmen, beim kürzeren handelt es sich um einen Karabiner 98, der im WK2 die Infanteriewaffe der Wehrmacht
war und das Kaliber 8x57IS hatte. Die 8 steht für das Geschoß von 8mm, 57 für die Hülsenlänge und IS für für Infanteriegeschoß Spitz.
Das Maschinengewehr hatte das gleiche Kaliber. Der Soldat hat ein Gesamtgewicht von ca. 15kg am Rücken.
Der Karabiner 98k stand übrigens bis Mitte der 70er Jahre auch bei der Polizei in Verwendung, wurde aber nur zum Übungsschießen
auf der Thaurer Mure verwendet.
Die Uniformen sind dem Aussehen nach österreichisch. Da es sich beim MG um eine reine Militärwaffe handelt, sind das Soldaten des jungen Bundesheers, dem Herr Roilo entkommen ist.
Völlig unklar ist mir der Weg der Soldaten, sie könnten von der nahen Klosterkaserne weggefahren sein. Sowohl nach Hall als auch zur Eugenkaserne fährt man so einen Umweg. Keinesfalls war das eine militärische Einheit in Form einer Fahrradtruppe. Man hat wahrscheinlich Waffen irgendwohin überstellt.
Und es ist später Vormittag.
Es könnte sich auch um Angehörige der B-Gendarmerie handeln.
Ja Herr Hirsch, B-Gendarmerie war auch mein Gedanke. Vielleicht waren zu dieser Zeit Waffen im ehemaligen Luftschutzstollen
am Hohen Weg gelagert, würde den Umweg erklären.
Der Straßenbahntriebwagen im Hintergrund ist übrigens keiner der Linie 1, sondern ein Arbeitsfahrzeug; IVB-Tw 38(I) war ab 1930 ein Schienenschleifwagen. Die Aufnahme dürfte frühestens 1956 entstanden sein, als laut Walter Kreutz damit begonnen wurde, die alten Lyrabügel (lyraförmige Stromabnehmer) der Straßenbahnen durch Scherenbügel zu ersetzen, wie auch hier einer zu sehen ist. Das intakte Straßenbild mit neuen Hinweisschildern, Zäunen etc. deutet m.E. auch darauf hin, dass der WW2 schon länger vorbei war.
Leider vergessen: 1961 wurde dieser Triebwagen außer Dienst gestellt und verschrottet, was das Aufnahmedatum nach oben begrenzt.