Traumstraße über die Alpen?
„Der Brenner ist in den letzten Jahren zum Schrecken der Autofahrer geworden“, heißt es im ersten Satz dieser Broschüre, die mir neulich in die Hände fiel. Aber während ich noch seufzend nickte, merkte ich, dass sie fast sechzig Jahre alt war. Und es darin gar nicht um die Luegbrücke ging (die erst letztes Wochenende wieder in den Schlagzeilen war, weil wegen eines Feiertags in Deutschland akute Staugefahr bestand), sondern um die Einweihung der Brennerautobahn im Jahr 1967.
Mit dem Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit und dem wachsenden Tourismus wurde auch der Transitverkehr über die Alpen immer stärker und die Passstraße über den Brenner entwickelte sich in den 1950er Jahren zu einem gefürchteten Nadelöhr. Die Autobahn, deren Bau 1959 begann, sollte eine dringend notwendige Entlastung bringen. „Eine Autobahn vom Innsbrucker Talboden über die Sillschlucht und dann quer durch den Tiroler Schicksalsberg, über die höchste Brücke des Kontinents hinauf zu den blühenden Almmatten, über Täler und dann wieder entlang der Steilhänge, das schwierige Gelände auf die optimalste Weise ausnutzend,“ lautet die poetische Beschreibung in der Broschüre. Das Wipptal sollte sich, so das Versprechen, durch den Autobahnbau in eine „Oase der Erholung“ verwandeln. Aus heutiger Sicht besonders kurios klingt die folgende Passage, die ich Ihnen deshalb nicht vorenthalten möchte:
„In Zukunft wird sich eine Rast in den Ortschaften an der alten Brennerstraße oder eine Siesta in den Seitentälern lohnen. In den Dörfern wird man endlich wieder die würzige Bergluft atmen können und auch ohne Schwierigkeiten einen Parkplatz finden. Romantik und Beschaulichkeit werden in diesen uralten Tiroler Dörfern und Marktflecken einziehen.“
Fast sechzig Jahre später fällt die Bilanz dann doch eher nüchtern aus. Stau, Ausweichverkehr, Streit um LKW-Fahrverbote. Von der Lärm- und Feinstaubbelastung ganz zu schweigen. Wenn der Ausbau von Verkehrswegen zu zusätzlichem Verkehr führt, spricht man auch vom Phänomen des induzierten Verkehrs. Mit Entlastung hat das nicht mehr viel zu tun.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, FW-K-4118)
Elisa Wasserer
Der Schrecken ist nicht der Brenner, sondern die Touristenlawine, für die jeder Fenstertag gleichsam als strikter Befehl zur Fahrt in den Süden gilt. Und jeder kennt ein „Da ist es billiger und am billigsten“ Ziel. Hinten angeschraubt der Fahrradträger, man denkt ja an den Klimaschutz.
Und jetzt wart ich auf die Geistesblitze, wie man das ohne Zwang, der den Mißstand nur verschiebt und womöglich sogar noch verschlimmert, lösen kann. Und bitte jetzt nicht Eisenbahn sagen. Dort ist jetzt schon alles überfüllt, sogar die Erste Klasse.