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Sommer 1914 (I)

Sommer 1914 (I)

Wir haben Margarethe von Zepharovich (1871-1954) am 29. Juni 1914 verlassen (wie hier nach zu lesen). Zwar hatte sie die Nachricht von der Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers und seine Frau erschüttert. Aber der Alltag ging doch weiter seinen gewohnten Gang, die Sommerferien standen unmittelbar bevor, das Wetter war in den Tagen nach dem Attentat „sehr schön u. warm“ (1.7.) und lud zu Ausflügen und Spaziergängen ein. So machte Margarethe von Zepharovich beispielsweise am Vormittag des 30. Juni einen Ausflug auf die Hungerburg („gingen oben etwas spazieren, aßen dann Ei u. Caffee im Restaurant u. fuhren herab“). Erst am 5. Juli sollte das Wetter umschlagen: „Es ist gleich 12 [Uhr], regnet ununterbrochen“, notierte sie an diesem Tag.

Von der Mission des österreichisch-ungarischen Diplomaten Alexander Graf Hoyos (1876-1937), der an diesem 5. Juli frühmorgens zu Gesprächen in Berlin eingetroffen war, ahnte sie freilich nichts. Wie sollte sie auch? Allerdings wanderten ihre Gedanken Anfang Juli gelegentlich zu Franz Ferdinand und Sophie. So notierte sie unter dem 3. Juli 1914: „7 [Uhr] auf mit Zana hl. Messe u. ich Communion, die ich für den Thronfolger u. seine Frau aufopferte.“ Und an eben jenem 5. Juli 1914, an dem Graf Hoyos in Berlin den berühmt-berüchtigten „Blankoscheck“ vom Bündnispartner erhalten sollte, heißt es in ihren Aufzeichnungen: „Gerade jetzt vor 1 Woche wurde[n] unser Thronfolger u. seine Frau ermordet, R. i. P. u. räche, Herr, unser Vaterland an den infamen Serben u. ihrer Brut!“

Der Zorn, der aus diesen Zeilen spricht, kam nicht von ungefähr. Die Beziehungen zwischen der Habsburgermonarchie und Serbien hatten sich nach der Ermordung des serbischen Königspaares im Jahr 1903 (ebenfalls durch die „Schwarze Hand“) und der Thronbesteigung von Petar Karajordjevic (1844-1921) im Jahr darauf rapide verschlechtert. Während der Annexionskrise 1908/09 und während der beiden Balkankriege 1912/13 standen Wien und Belgrad wiederholt am Rande eines Krieges. Die Ermordung von Franz Ferdinand und Sophie lieferte dem Kaiser sowie seinen politischen und militärischen Entscheidungsträgern einen Anlass, um diesen – über kurz oder lang für unvermeidlich gehaltenen – Krieg gegen Serbien nun zu führen. Am 15. Juli 1914 notierte der Reichsratsabgeordnete Josef Redlich (1869-1936) in seinem Tagebuch: „Heute eine halbe Stunde bei Alek Hoyos: er sagt mir im größten Vertrauen, dass der Krieg so gut wie beschlossen sei.“ Einen Ausweitung des angestrebten regionalen Konfliktes zu einem Weltkrieg nahmen die Entscheidungsträger dabei sehenden Auges in Kauf. Oder wie es der bereits mehrfach erwähnte Graf Hoyos am 15. Juli 1914 gegenüber Josef Redlich ausdrückte: „Wenn der Weltkrieg daraus entsteht, so kann uns das gleich bleiben.“ Eben diese leichtsinnige Haltung sollte wesentlich dazu beitragen, dass wenige Wochen später in Europa die Lichter ausgingen, wie es der britische Außenminister Sir Edward Grey (1862-1933) formulieren sollte …

Gebets-Erinnerung an den Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin. StAI, Slg. Sommer.

(TB Margarethe von Zepharovich, Privatbesitz)

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