Nur mehr ein Zacken einer Krone
Beim Stöbern in den Beständen ist mir diese Werbekarte aus der Sammlung von Günter Sommer in die Hände gefallen. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Talfahrt, bleibt das Auge doch etwas hängen. Über 4 Prozent Zinsen.
Die Anglo-Oesterreichische Bank ist heute nur mehr Spezialisten ein Begriff. Dabei war sie eines der führenden Bankhäuser der ausgehenden Monarchie und spielte in der Zwischenkriegszeit noch so manche finstere Rolle. So führte eine spontane „Bekehrung“ des Generaldirektors, der nicht weiterhin frisierte Bilanzen unterschreiben wollte, zum Zusammenbruch der Österreichischen Creditanstalt im Jahr 1931. Dies war eine der schwersten Finanzkrisen Österreichs. Wer dazu etwas tiefer in den ewigen Banken-Sumpf vordringen will: https://de.wikipedia.org/wiki/Anglo-%C3%96sterreichische_Bank
Die Anglo-Oesterreichische Bank bestand laut einem kurzen Blick in die Adressbücher von 1912 bis 1926 immer an der Adresse Landhausgasse 1 bzw. Meranerstraße 1. Über das Gebäude haben wir schon mehrfach gesprochen.
Interessant ist aber der Hinweis auf das eigene Vermögen von 122,000.000 Kronen. Nur was kann man sich darunter vorstellen? Natürlich ändert sich die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bewertung von Gegenständen und Dienstleistungen im Laufe der Zeit. Damit ist die folgende Kurve eher eine Orientierungshilfe als eine detaillierte Bewertung.
Ich habe die Werte mit dem Historischen Währungsrechner der ÖNB ermittelt. Bei aller Problematik erscheint mir dieser als recht gut: https://www.eurologisch.at/docroot/waehrungsrechner/#/
Was zunächst nach einer soliden Währung ausschaut, ist mit Kriegsbeginn nur mehr ein Schatten seiner selbst. Nun ist die Frage, von wann die Karte stammt. Dann ist das Bankvermögen entweder ein echtes Vermögen oder ein Alarmzeichen.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck; Slg. Sommer)
Am 7. Januar 1911 schreibt das Neue Wiener Tagblatt auf S 14: „(Anglo-österreichische Bank.) Die Anglobank hat in Czernowitz und Innsbruck Filialen errichtet, welche ihre Tätigkeit am 2. d. M. aufgenommen haben.“
Demnach kann diese Werbekarte nicht vor Jänner 1911 Verwendung gefunden haben.
Das Aktienkapital der Anglo-Österreichischen Bank wurde laufend erhöht und belief sich
ab April 1910 auf 80 Millionen Kronen
ab April 1911 auf 100 Millionen Kronen
ab Okt. 1916 auf 130 Millionen Kronen
ab Mai 1918 auf 150 Millionen Kronen
ab Juli 1920 auf 200 Millionen Kronen
ab März 1922 auf 2 Millionen Pfund Sterling, nachdem die Umorganisation in eine englische Gesellschaft, die den Namen Anglo-Austrian-Bank führte, abgeschlossen war.
In den Innsbrucker Adressbüchern war bis einschließlich 1925 noch Anglo-Oesterreichische Bank zu lesen, 1926 und 1927 hieß es dann auch hier Anglo-Austrian Bank.
Das im Titelbild beworbene Aktienkapital von 122 Millionen Kronen müsste demnach zwischen 1911 und 1916 beschlossen worden sein. Es war auch wohl so angedacht, denn in der Generalversammlung am 6. April 1914 wurde eine Erhöhung des Aktienkapitals auf 120 Millionen Kronen beantragt und auch genehmigt, zunächst aber kein Gebrauch davon gemacht. Allerdings wird der Generalrat gleichzeitig ermächtigt, „in dem ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkte diese Kapitalserhöhung unter Festsetzung der Modalitäten […] durchzuführen.“ (Neues Wiener Tagblatt, 7. April 1914, S 18)
Interessant ist auch eine Anzeige der Innsbrucker Filiale der Anglo-Oesterreichischen Bank im ATA: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=tan&datum=19110218&query=%22Anglo%22+%22Bank%22+%22Aktienkapital%22&ref=anno-search&seite=21
Hier wird bereits am 18. Februar 1911 mit einem Aktienkapital von 100 Millionen Kronen geworben, obwohl die Erhöhung auf 100 Mio. erst im April 1911 beschlossen wurde. Evtl. hat man mit dem Zusatz „und Reserven“ die Erhöhung von den damals noch bestehenden 80 Millionen auf 100 Mio. vorweggenommen.
Am 11. Februar 1927 berichten die IN auf S 10: „(Aus dem Tiroler Handelsregister.) Gelöscht wurde infolge Einstellung des Geschäftsbetriebes die Firma Anglo-Austrian-Bank Limited, Niederlassung Wien, Filiale Innsbruck.“
Dies ist zu den Adressbuch-Eintragungen insofern kein Widerspruch, als dass dafür jeweils die gemeldeten Daten des Vorjahres herangezogen wurden.