skip to Main Content
#bilderschauen --- #geschichtenlesen --- #gernauchwiederimarchiv
Kunstradfahrer Felix Brunner

Kunstradfahrer Felix Brunner

Bei der Recherche zu meinen Beiträgen zu Anton Schlumprecht und den Wettkämpfen zwischen Reitern und Radfahrern auf der Rennbahn im Saggen ist mir mehrfach der Kunstradfahrer Felix Brunner untergekommen. Dieser – aus München stammend – trat ab 1895 regelmäßig in Innsbruck auf und zeigte seine „neuesten Trics“ auf dem Ein-, Hoch- und Niederrad bei verschiedenen Veranstaltungen: bei Festen von Fahrradvereinen oder des Tiroler Radfahrerverbandes aber auch bei Ausstellungen auf dem Messegelände. Die Zeitungen berichteten dabei überschwänglich von seinen Künsten, wobei er oftmals mit seinem Sohn auftrat, der den Vater ab dem Alter von vier Jahren bei seinen Auftritten begleitete und der meist noch die größere Sensation als sein alter Herr war.

Brunner tourte zu dieser Zeit allein und mit anderen Radartisten durch Europa, trat in Zirkussen und Varietés auf. In der der Hamburger Freien Presse wird sein Auftritt im Zirkus Busch im Jahr 1894 folgendermaßen beschrieben:

Er erreicht ihn an Sicherheit und keckem Wagen nach jeder Richtung hin, auch sein Repertoire deckt sich mit demjenigen Streubels, zeigt vielleicht hier und da noch diese oder jene Erweiterung, hierzu aber kommt der wohltuende Schimmer vornehmer Eleganz, den Brunner über alle seine Übungen zu gießen versteht. Was die ungekünstelte Ruhe, die er so wunderbar mit einer ganz souveränen Sicherheit zu verbinden versteht, anbetrifft, dürfte Brunner kaum von einem anderen Kunstfahrer übertroffen werden. Man möchte behaupten, ein solches kühles Abwägen läßt sich nicht erlernen, es, ist viel mehr eher eine Sache des Temperaments.  Jedenfalls kann sich eine solche Eleganz bei seinen Produktionen nur ein Fahrer gestatten, welcher sein Rad in jeder noch so heiklen, „wackeligen“ Situation unumschränkt beherrscht. Das sichere Berechnen eines jeden Sprunges, der gar nicht einem solchem, vielmehr einer gemächliche, nonchalanten Aktion auf ebener Erde gleicht, muß bei ihm entschieden als das Kriterium einer hohen Vollendung in seiner Kunst gelten. Wenn man beobachtet, mit welchem Eifer fast alle Kunstfahrer gleich nach erfolgtem Sprungansatz den Pedalen zustreben, und man dagegen vergleich mit welcher Kaltblütigkeit Brunner sie zu fangen versteht, lernt man seine Eigenart schätzen. Da ist kein Fehlsprung zu verzeichnen; jede Bewegung, jede Biegung wohl erwogen, schnell aber genau berechnet und die Ausführung immer und überall unter Wahrung einer tadellosen Haltung stehend.

Felix Brunners zweites Auftreten zeigte wieder die vorhin schon gerühmte Eleganz. Der Münchener Champion vermag diese selbst da noch festzuhalten, wo er in humoristischer Pose auf dem kleinen Hinterrad die Bahn durchmißt. Weiter bot Brunner diesmal noch Produktionen einem eckigen Rade und einem solchen ohne Felge. Ferner zeigt er mit überraschender Bravour den Pedalwechsel auf ruhendem Einrad. In dem Augenblick, wo er das nackte Rad zum Stillstand gebracht, ergreift er mit den Händen den Radfelgen schwingt sich empor und wechselt die Pedale.

Ab dem Jahr 1898 erschloss sich Brunner dann ein neues Geschäftsfeld und ließ sich hierfür eine zeitlang in Innsbruck nieder. Er trat nun als Fahrlehrer für Räder auf (siehe Titelbild). Wie schon zuvor, betrieb er dies gewissermaßen als Familienunternehmen, indem seine Frau den Unterricht für die Damen und Kinder übernahm, während er selbst die Herren unterrichtete. Der Unterricht fand dabei hauptsächlich auf der Rennbahn im Saggen statt, später dann auch in einem (mir bis dahin unbekannten) Velodrom im Gasthof Heid in der Anichstraße 36 (heute Leokino). Dabei arbeitete er jeweils mit Anton Schlumprecht zusammen, als dessen Vertreter er agierte. Die Kurse fanden auf den Veldidena-Fahrrädern von Schlumprecht statt bzw. erhielt man beim Kauf eines Fahrrads der Marke Veldidena den Kurs bei Felix Brunner gleich dazu.

Mit dem Ende der Veldidena-Fahrräder endete dann allerdings wohl auch die Zeit der Brunners in Innsbruck, seine Spur verliert sich. Erst 1911 trat sein Sohn Felix jun. dann wieder mehrfach in Innsbruck auf. Im Varieté des Löwenhaustheaters gastierte dieser als „der gegenwärtig be­rühmteste und anerkannt beste Kunstradfahrer Europas“ für einige Auftritte. Felix jun. wurde dabei sogar als gebürtiger Innsbrucker angepriesen.

Danach verlieren sich die Spuren und leider haben wir auch keine fotografische Aufnahme der Kunststücke der sensationellen Künstler auf dem Rad. Bilder von anderen Fahrrad-Artisten gibt es hingegen und vermitteln einen kleinen visuellen Eindruck, wie die Familie Brunner wohl aufgetreten sein könnte. Die skizzenhafte Biografie Brunners gibt uns jedenfalls Einblicke in die vielfältige Vergnügungskultur der Zeit um 1900. Sie zeigt uns nicht nur den Aufschwung und die Faszination für das neuen Verkehrsmittel Fahrrad in dieser Zeit, sondern auch, wie dieses rasch für Kunststücke und andere Sportarten, wie Radpolo oder Radball umfunktioniert wurde.

(Werbeanzeige in den Innsbrucker Nachrichten 23. Mai 1898)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top
×Close search
Suche