Innsbruck bei Nacht (XIII)
Ich weiß, ich weiß, das Titelbild ist eigentlich einen Themenverfehlung. Aber um die Jahrhundertwende waren einfach keine Fotografen zur nächtlichen Stunde in der Bürgerstraße unterwegs. Dafür aber jede Menge Nachtschwärmer. Mancheiner war sogar der Ansicht, die Bürgerstraße sei „ein wahres Eldorado für Nachtschwärmer“ – sehr zum Leidwesen der Anwohnerinnen und Anwohner. Diese griffen 1894 zu Feder und Papier, um einen Leserbrief zu verfassen, in dem sie ihr Leid klagten:
Tag für Tag werden die Bewohner derselben durch die unglaublichsten Lärmscenen aus dem Schlafe emporgeschreckt. Während z. B. in der Maria-Theresienstraße auch das harmlose Vorsichhinpfeifen – und mit Recht – von dem dort diensthabenden Wachmanne abgestellt wird, können sich, Dank des Mangels jeglicher Aufsicht in der Bürgerstraße, die Herren Nachtschwärmer jede Art Spectakel leisten und zwar in beliebiger Stärke und Länge. Nachdem die Bewohner der Bürgerstraße, doch gewiss das gleiche Recht auf den Schutz ihrer nächtlichen Ruhe genießen, ist das Verlangen kein unbilliges wenn dieser, allerdings nur sehr einseitigen Gemüthlichkeit, wenigstens durch zeitweise Beeinflußung durch die Sicherheitswache ein Damm gesetzt würde. Von den Lärmmachern ist ja leider nicht vorauszusetzen, dass sie bedenken, dass ihre Lümmeleien Kranken den Schlaf, vielleicht der ganzen Nacht kosten, und Gesunden, die nach der Arbeit des Tages so nothwendige Ruhe empfindlich beeinträchtigen. Es ist nicht jedermann so glücklich am Tag die schlaflos verbrachten Nachtstunden einzuholen, zudem es auch einen Unterschied ausmacht, ob man empört und geärgert über derartige Rücksichtslosigkeiten sich im Bette herumwälzt oder ob man „angeregt“, durch Alkohol sich auf den Straßen herumtreibt. Mögen die, die es betrifft, an sich selbst etwas Erziehung üben.
IN v. 1.6.1894, 8.
Gezeichnet ist der Brief mit „Mehrere Bewohner der Bürgerstraße“. Ob ihr Leserbrief die gewünschte Wirkung hatte, ist nicht überliefert … allerdings sorgten „lärmende“ Nachteulen im Innsbruck des Fin de Siècle nicht nur in der Bürgerstraße für Unmut, sondern auch in anderen Straßenzügen dies- und jenseits der damaligen Stadtgrenzen; so etwa im Juni 1897 in Wilten, im Juli 1898 wiederum in Wilten und im Mai 1903 in der Höttinger Gasse. Allzu häufig dürften die hiesigen Nachtschwärmer dann aber den Bogen doch nicht überspannt haben, denn die nächtlichen Ruhestörungen waren kein „Dauerbrenner“ in der Lokalpresse.
(StAI, Ph-6948)