H wie Hexe: Das Tiroler Fasnachts-Lexikon (Teil VIII)
Imst, Patsch, Thaur – Das sind nur drei Gemeinden, in denen die Hexen zur Fasnacht ihr Unwesen treiben. Es handelt sich um eine weit verbreitete Figur, die vor allem in Alpenländern wie die Schweiz oder Österreich beheimatet ist.
Die Fasnachtshexe hat ihren Ursprung im Mittelalter bzw. der frühen Neuzeit, als Hexenverfolgungen eine gängige Praxis im frühmodernen Strafrecht waren. Zwischen 1550 und 1650 wurden gezielt Frauen hingerichtet, die der Hexerei und Zauberei bezichtigt wurden, da sie angeblich in einem Bündnis mit dem Teufel standen. Schon damals sollen Männer in Frauenkleidern sogenannte wilde Weiber dargestellt haben, die lange vor der Etablierung der heutigen Hexenfigur ein Bestandteil der schwäbisch-alemannischen und alpenländischen Fasnacht waren. In Tirol soll es die Hexe bereits seit dem 18. Jahrhundert geben, allerdings stieß ich bei meiner Recherche nur auf ungenaue Angaben. Der Anlass für die Datierung ist eine sogenannte Hexenmutter-Larve, die aus genau dieser Zeit stammen soll und angeblich bis heute existiert. Wo sie sich befindet, konnte ich jedoch nicht herausfinden. Eine Hexenmutter als Figur gibt es zum Beispiel beim Imster Schemenlaufen. Sie ist die Anführerin der Hexenbande und hält, mit einer Birkenrute ausgestattet, die ihr untergebenen Hexen auf Trab, die zur Hexenmusik tanzen.
Optisch greift das Hexenkostüm auf die stereotypische Darstellung zurück, wie sie etwa aus den Märchen der Gebrüder Grimm bekannt ist. Demnach zeigt unser heutiges Beitragsbild eine alte, hässliche, hinterlistig-wirkende Frau mit zerzausten Haaren und spitzen, hervorstehenden Zähnen. Die alte Tracht wurde schon einige Male notdürftig genäht und das Fransentuch bedeckt den Hals, sodass es zusammen mit der Larve und den angenähten Haaren ein stimmiges Ganzes bildet. In ihren Händen hält die Hexe einen Besen – ihr wohl wichtigstes Ausstattungsmerkmal. Je nach Region nutzt sie ihn auf ganz unterschiedliche Art und Weise: In den MARTHA-Dörfern kehrt sie beispielsweise das Böse weg und schafft Platz für die ihr nachfolgenden Frühlings- und Sommerfiguren. Meistens hat sie auch ein besonderes Schnapsl für die Erwachsenen sowie ein paar Zuckerl für die Kinder im Publikum dabei. In Absam wird etwa gerne Bärlauch-Schnaps oder einfach Salzwasser für den schnellen Durst ausgeschenkt. Bei den Patscher Schellenschlagerinnen schwingt die Hexe den Besen hingegen in der Luft und gibt damit den Takt an, in dem sich die Trägerinnen der Schellen bewegen müssen, damit diese einen rhythmischen Klang von sich geben. Das Patscher Schellenschlagen zählt zu den wenigen Fasnachtsbräuchen in Tirol, die von Frauen praktiziert werden – und das bereits seit 1958. Zwei Figuren der Patscher Schellenschlagerinnen sind auch auf unserem Beitragsbild im Hintergrund erkennbar. Sie haben offenbar auch an der Narrenolympiade teilgenommen, die 1972 durch die Maria-Theresien-Straße zog. Vermutlich stammte die Hexe auf unserem Foto ebenfalls aus Patsch und hatte demnach eine dirigierende Funktion bei diesem Auftritt.
(Foto: Stadtarchiv Innsbruck, Ph-17523-4)