Fenster zum Hof – ganz ohne Hitchcock
Ein wirklich interessanter Ausblick aus einem Küchenfenster. Auch ohne Mord. Aber wir sind ja nicht bei Alfred H. Der Blick geht hier nur über einen Innenhof auf die Fassade eines wohl recht ähnlichen Gebäudes. So weit so gut.
Doch so richtig spannend ist der Vordergrund: Eine moderne Küche, wohl im Stil der recht frühen 1950er Jahre. Oder irre ich mich da? Das Waschbecken – überraschenderweise mit Leitung in der Außenmauer – noch ohne Fließen. Dafür gibt es so eine Art Terrazzo-Verkleidung. Warmwasser war (natürlich) Fehlanzeige. Der Gasherd war noch Email-verkleidet. Daneben ein alter Holz-Kohle-Ofen, in dem es normalerweise ein Becken für Warmwasser gab. Aber auch keine Menge, die zu einem Vollbad einladen würde. Sogar der Küchenboden ist zeittypisch. Auf der Kommode links steht ein zweiteiliges Riess-Häferl. Aber wofür war das in Verwendung? Trotzdem passt das zusammen. Eigentlich ist Alles recht stimmig.
Wirklich? Da ist am linken Rand etwas zu sehen, das wie ein moderner Kühlschrank ausschaut. Täuscht das oder nicht? Das würde aber die Datierung ordentlich über den Haufen werfen. Wie sehen Sie das?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck; Slg. Kreutz; Kr/Ne-1280)
Ja, das Handtuch! Es wurde jeweils am Sonntag gewechselt…
Das Emaillegeschirr auf der „Kredenz“ könnte zum „Turmkochen“ gedient haben. Auch dafür gab es einst Anleitungen: im großen Topf die Suppe, in deren Dampf die im oben daraufgesatzten Siebeinsatz befindlichen geschälten oder ungeschälten Erdäpfel garen konnten. Und die Frankfurter konnte man in der nicht mehr kochenden Suppe zuletzt noch heiß werden lassen, so es welche „getragen“ hat…
Was könnte denn sonst am Speiseplan gestanden sein, was sich einfache Leute damals leisten konnten, als es das alles schon gegeben hätte?
Jetzt wäre es interessant zu wissen, ob es sich in diesem Block um Wohnungen handelte, bei denen schon ein Bad „dabei“ war – oder ob man noch irgendwo eine alte feuerverzinkte Kinderbadewanne hatte, die Samstags mit warmen Wasser vom „Grantl“ gefüllt wurde und in welcher sich vom Kleinsten bis zum Vater dann alle badeten, soferne nicht der Gang ins Städtische Dampfbaf oder ins Hallenbad vorgezogen worden ist…
Unter uns gesagt: Die Welt roch damals noch irgend wie anders. Es hat eben noch keine Luftverschmutzung gegeben – wenigstens offiziell nicht (Was mit dem Holz- und Kohlenrauch in die Luft entwich, wurde bekanntlich nicht gemessen)
Seither ist der Himmel bei Schönwetter eigentlich immer blitzblauer geworden, parallel zum Siegeszug der Elektroherde.
(„Ah geh!, des geht so langsam – aufn Gas gehts vüüü schnela“ meinte die aus OÖ stammende Frau Mathilde)
Aber ob das weiß emaillierte Dings links tatsächlich ein „Eisschrank“ ist – oder ob dieser Stolz der Familie ein Dauerbrandöfele war, kann nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden. „Weil beim Holz- Kohlen -Herd, da hast ei’schüarn miassn, wia wannst an ganzn Ochsn zan Bratn g’habt hest – und is dechtast ned warm wurdn in dar Kuchl“
(die Obige)
Und der Bretterboden wurde am Samstag nachmittags mit Bodentuch und Wurzelbürste kniend „herausgerieben“ und mit einzelnen Tageszeitungsblättern belegt. Ja nur auf die Zeitunsbladln und ned danemsteign, gell!
Zu den Datierungen via Kühlschrank und Kaltwasserbrunnen.
Unseren ersten Kühlschrank Marke Alaska, Absorbertechnik, kaufte mein Vater in der Mitte der 50er, als in Tirol eine außergewöhnliche Sommerhitze herrschte. Sie war so groß (natürlich heißester Sommer seit dem Big Bang), daß mein Vater ein eisernes finanzielles Prinzip ignorierte und das Ding auf Raten kaufte. Es hatte 25 Jahre (!) Garantie und hielt 40 Jahre lang. Er ging aber nicht kaputt, er mußte nur einem stromfressendem aber modernerem Kompressormodell weichen, denn der hatte ein Gefrierfach, ein Feature, weclhes dem Absorber physikalisch versagt blieb.
Die Brunnenpipen aus der nur Kaltwasser floß, zierte unsere Küche bis 1961. In ein Basena artiges Gußeisenbecken. Doch doch, wir haben uns schon gewaschen. Die moderneren Muster der am Foto abgebildeten Variante war lange Standard, bis ins jetzige Jahrtausend. In der Küche des verlassenen Hauses des Künstlers Roilo, durch das ich einmal nicht ganz legal ubexmäßig herumgegeistert bin, hatte noch so eines. Mit Warmwasserboiler. https://postimg.cc/06T14vbf, Aufnahme März 2016.
Die Wandverkleidung hinter dem Brunnen hatten wir auch, eine Eternitprodukt mit einem wunderschönen gelb grau gefarbelten „Dekor“, nix Terrazzo.
Kühlschränke der Bauart Alaska gab es schon vor Mitte 50, wir waren keine Pioniere.
Gefäß für nicht schnell verderbliche Lebensmittel.
Wie sind’s denn da nur hineingekommen, Herr Hirsch? Hätten’s das Haus kaufen wollen – oder? Jedenfalls danke für dieses Bild! Für mich Erinnerungen an ein trauriges Ende! Haben’s noch so etwas?
Ich will Sie nicht traurig stimmen, Herr Roilo, aber ich teile meine Aufnahmen gerne mit Ihnen.
Hineingekommen bin ich durch die sperrangelweit offene Tür. Das größere Hindernis war das heillos durcheinander herumliegende Gerümpel im Erdgeschoß . Das Haus war anscheinend „in Besitz“ von Obdachlos en. Ich verstehe nur nicht, dass man so ein Chaos schaffen kann. Im Kopf sieht’s wohl ähnlich aus.
Wenn Sie wollen antworten Sie auf karl.hirsch@aon.at, ich schick Ihnen dann die Fotos.
Lieber Herr Roilo, nachdem Sie aus nicht ganz unverständlichen Gründen lieber Ihr email-Inkognito waren wollen, hab ich die Fotos heir eingestellt, d.h. in einem Beitrag über Altpradl, wo es auch hin paßt.
https://innsbruck-erinnert.at/altpradl-iv/comment-page-1/#comment-45264
Liebe Grüße
Wieder was verschluckt; Gefäß für nicht schnell verderbliche Lebensmittel. hätte geheißen; Der offenbar gut verschließbare Emailtopf diente zur Aufbewahrung für Brot oder als Gefäß für nicht schnell verderbliche Lebensmittel. Gekocht hat man da drin wahrscheinlich nicht, obwohl es möglich gewesen wäre, hätte als Kochgeschirr auch nichts auf der Kredenz verloren. https://www.alpenweit.de/magazin/emaille-vorratsdosen/
Es ist halt die Optik meiner Kinder- und Jugendzeit, deswegen kann ich nicht den Mund halten. Aber gegenüber steht auch kein „ähnliches Gebäude“ sondern ein typischer 50er Jahre Neubau. Die Küche gehört zu einem mindestens 50 Jahre älteren Gründerzeitbau, siehe Bretterboden, siehe Kastenfenster mit Oberlichte.
Wie schon angemerkt, dürfte das Haus in dem dieses Foto aufgenommen wurde damals schon älter gewesen sein.
Die Beschläge der Kastenfenster lassen mich das Baujahr des Hauses irgendwann zwischen 1890 und 1920 vermuten. Innenflügel wie damals üblich übers Sommerhalbjahr ausgehängt.
Keine einzige Steckdose sichtbar, auch nicht Aufputz. Wasserleitung aus Stahl auf Putz, was aber bis in die 50er-Jahre nichts aussergewöhnliches war. Sehr zierliches Fallrohr für das Abwasser – da hängt hoffentlich in den oberen Stockwerken kein WC drauf. 😉
Zum Aufnahmezeitpunkt.
Im Haushalt haben jedenfalls schon erste Kunststoffgegenstände Einzug gehalten (zB Seifenschale, PVC-Dekofolie auf der Kredenz und der Anrichte am linken Bildrand, Reissnägel mit kunststoffumhüllten Köpfen). Der Kühlschrank ist schon die modernere Bauart mit dem magnetischen Sicherheitsverschluß und 60cm Standardbreite, dahinter könnte sich unter der Husse bereits eine Kühltruhe verbergen?
Warmwasser wird aber noch nicht in einem Obertischboiler sondern rein übers Grandl erzeugt?
Die Wandleuchte mit Schnurzug ist auch so eine typische Nachkriegsbauart.
Von dem her würde ich den Aufnahmezeitpunkt gefühlsmässig auf ca. 1965- 1975 datieren.