Extrablatt, Extrablatt!
Den heutigen Beitrag verdanken Sie zum Teil Otis und Julian, die im Oktober bei uns geschnuppert haben. Als wir eine Schachtel mit diverser Flachware sortiert und dieses Blatt gefunden haben, haben die beiden sofort angeboten, die Zeitungen im Keller zu überprüfen, ob die Seite enthalten ist. Und die beiden engagierten Schüler hatten dabei den richtigen Riecher: das Extrablatt ist nicht in unseren Band eingebunden. In der auf anno verwendeten Version übrigens auch nicht.
Wie man der Titelei entnehmen kann, war dies bereits das 63. Extrablatt des Jahres 1916, es hatte also im Durchschnitt etwa zwei pro Woche gegeben. Es ist davon auszugehen, dass die Extrablätter häufig an den Sonntagen erschienen, an denen es lediglich eine Ausgabe der Innsbrucker Nachrichten gab – und keine separate Morgen- und Abendausgabe wie an den übrigen Wochentagen. Das obige Blatt war um 6:15 abends der Zensur vorgelegt worden. Über den in der Schlagzeile groß angepriesenen Einmasch in Rumänien erfährt man im Fließtext allerdings kaum etwas.
Die offizielle Möglichkeit zum „Ausrufen, Verteilen und Feilbieten (Kolportage) von Sonderausgaben periodischer Druckschriften mit Nachrichten, die mit den Kriegsereignissen zusammenhängen“ war übrigens zwei Wochen nach Kriegsbeginn 1914 mit einer Kaiserlichen Verordnung geschaffen worden. (RGBl. 215/1914 vom 11. August 1914). Zuvor war die Kolportage von Extrablättern außerhalb explizit dazu bestimmter Lokalitäten verboten gewesen (§23 Pressegesetz).
Diese Gesetzesänderung trug dem Bedürfnis der Bevölkerung Rechnung, sich über wichtige Kriegsentwicklungen so zeitnah als möglich informieren zu können, ebenso wie den Bestrebungen der Presse, diesen Service anbieten und davon finanziell profitieren zu können. Eine am Krieg interessierte Bevölkerung lag wiederum im Interesse der Regierung, die aber auch finanziell profitieren wollte:
Der Verordnung, die ab 13. August in verschiedensten österreichischen Zeitungen publiziert wurde, waren ein Communiqé und ein Begleitschreiben der Regierung beigefügt worden, in dem diese „[d]ie ausgezeichnete, patriotische Haltung der Presse“ lobte, welche sich „in überaus erfolgreicher Weise in den Dienst der humanitären Zwecke der Kriegsfürsorge gestellt hat„. Aus diesem Grunde erwartete die Regierung „verständnisvolle Mitwirkung“ der Presse beim Unterfangen, für jedes verkaufte Extrablatt 2 Heller an die offizielle Kriegsfürsorge abzuführen. Die Neue Freie Presse kritisierte postwendend, man hätte die Presse vor Einführung einer solchen Steuer konsulieren müssen. (NFP, 13. August 1914, S. 6)
Nicht vorenthalten sei auch die salbungsvolle Begründung der Steuer, die für den Ersten Weltkrieg typisch sowohl die Freiwilligkeit als auch die Pflicht zu Spenden an die Kriegsfürsorge betont und die gesamte Bevölkerung in diese Anstrengungen einzubinden trachtete:
„Die Einführung der Zwei-Heller-Abgabe bietet dem Publikum Gelegenheit, sich in einer für den einzelnen gewiß nicht drückenden Weise an der Förderung erhabenster humanitärer Zwecke zu beteiligen. Das Streben nach Erfüllung einer heiligen Pflicht gegen das Vaterland und seiner Verteidiger wird durch die kleinsten Spenden der Minderbemittelten ganz ebenso betätigt wie durch die größeren Widmungen der mit Glücksgütern Gesegneteren. Trotzdem, könnte eine keineswegs begründete Scheu so manche abhalten, mit geringfügigen Beiträgen eine Beisteuer zu den Sammlungen für das Rote Kreuz und für die Angehörigen unserer Tapferen zu leisten. Die Neuerung ermöglicht es nun allen, die unbegrenzte Opferwilligkeit, von der heute die Bewohner der Monarchie beseelt sind, auch in dieser Weise und unter Vermeidung jeglicher Formalität zu bekunden.“ (NFP, 13. August 1914, S. 6)