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Erschießung Wird Durchgeführt…

Erschießung wird durchgeführt…

Bei einem Spaziergang von der „Landessöhnegedächtnisstätte Tummelplatz“ in Amras, die den gefallenen Soldaten von den Napoleonischen Kriegen bis hin zum Zweiten Weltkrieg gewidmet ist, Richtung Westen stößt man, wenn man sich auf kleinen Pfaden etwas abseits in den Wald schlägt, auf einen längst aufgelassenen Steinbruch. Nur wenige hundert Meter von der gut gepflegten Anlage am Tummelplatz steht man bald – bereits in der Katastralgemeinde Pradl – unter hohen Felswänden, die im 19. Jahrhundert durch den Abbau von Gestein für Bauten in der Umgebung entstanden sind.

Verschiedene Quellen belegen, dass Kriegsgerichte der deutschen Wehrmacht in Innsbruck zwischen 1939 und 1945 an diesem und wahrscheinlich anderen Orten in der näheren Umgebung, etwa in der Sillschlucht, zum Tode verurteilte Wehrmachtssoldaten von Erschießungskommandos exekutieren ließen. Im Sterbebuch des Standesamts der Stadt Innsbruck zum Jahr 1945 findet sich der Eintrag, dass „Hinrichtungen von Personen auf Grund von Divisionsgerichtsurteilen, welche in der Sillschlucht und in den verschiedenen Steinbrüchen in Innsbruck stattgefunden haben“, nicht im Sterbebuch verzeichnet wurden und weiter, dass die „Divisionsgerichtsurteile (…) beim Einmarsch der Alliierten, Anfang Mai 1945, zur Gänze vernichtet wurden.“

Aber ganz ist den Militärjuristen das Verwischen der Spuren nicht gelungen. In den Sterbebüchern der vorangegangenen Jahre 1939 bis 1944 wurden die Hingerichteten verzeichnet und in den Haftbüchern des landesgerichtlichen Gefängnisses (Schmerlingstraße 1) finden sich die Namen von Soldaten, die von Gerichten der Divisionen 188 und 418 der Wehrmacht oder von einem SS- und Polizeigericht zum Tode verurteilt worden waren, bei manchen ergänzt durch Vermerke wie „Tod durch Erschießen“.

Aus diesen und anderen Quellen eruierte die Politikwissenschafterin Christina Müller 2016 fünfzehn in Innsbruck hingerichtete Soldaten. Im Rahmen eines Forschungsprojektes des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck zu den Deserteuren der Wehrmacht in Tirol und Vorarlberg wurden ihre Recherchen nun bestätigt. Bei sechs hingerichteten Soldaten gibt es schriftliche Nachweise, dass sie wegen Desertion oder Wehrdienstentziehung zum Tode verurteilt worden waren. Da Fahnenflucht der weitaus häufigste Grund für Todesurteile der Kriegsgerichte war, ist davon auszugehen, dass auch die anderen Soldaten hingerichtet wurden, weil sie nicht mehr für den NS-Staat kämpfen wollten. Ihre Namen sind: Franz Lobert, Florian Penasso, Josef Happer, Franz Kuntz, Karl Seemann, Heinrich Ploderer (verurteilt in Klagenfurt), Heinrich Kohl, Wilhelm Männer, Wilhelm Walch, Johann Aschbacher, Anton Lehmkuhl, Alois Mayr, Franz Mayr, Walter Patzelt, Ernst Federspiel.

Copyright Markus Jenewein (beide Fotos)

Insgesamt verurteilten Militärgerichte in Innsbruck mindestens 32 Soldaten zum Tod, manche von ihnen hatten sich mit Gewalt gegen ihre Festnahme gewehrt. 23 dieser Todesurteile wurden vollzogen, vier starben unter dem Fallbeil im Gefängnis München-Stadelheim, vier töteten Scharfrichter in Graz und einer wurde im KZ Dachau exekutiert. Mindestens 140 Innsbrucker Soldaten desertierten aus den deutschen Streitkräften, etwa 40 % gelang die Flucht, während 51 % nachweislich festgenommen bzw. verurteilt wurden. Zwanzig Innsbrucker Deserteure starben auf der Flucht, durch Hinrichtungen oder im Strafvollzug. Die meisten der „gescheiterten“ Deserteure überlebten aber ihre Entscheidung, den Kriegsdienst zu quittieren. Einer von ihnen, Alois Pischler aus Hötting, verbarg sich nach vier Jahren Fronteinsatz und zwei schweren Verwundungen im Frühjahr 1945 in einer Höhle in den Steinbrüchen am Paschberg. Er konnte auf die Hilfe seines Arbeitgebers Josef Plössl zählen, der ihn bis Kriegsende mit Lebensmitteln versorgte.

Ergebnisse der Forschungen zur NS-Militärjustiz und zu Deserteuren der Wehrmacht in Innsbruck werden bei der Veranstaltung „Wehrmachtsdeserteure in Innsbruck. Geschichte und Erinnerung“ am Donnerstag, 4. Mai 2023, um 18 Uhr im Bürgersaal, Altes Rathaus präsentiert und diskutiert.

Text: Peter Pirker

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Als „Wiesengassler“ war dieser Steinbruch unser Abenteuer Spielplatz. Wir fanden dort immer wieder leere Patronenhülsen welche wir für Geld beim Altmetallhändler Rohrer der am Paschbergweg ansässig war abgaben.

  2. Schrecklich. Vielen Dank für diesen Beitrag, das ist so wichtig gegen das Vergessen. Ganz besonders in Zeiten, in denen ein Herbert Kickl mit seinen Schergen schon wieder nach der Kanzlerschaft zu greifen droht.

    1. Könnten Sie vielleicht wirklich die Parteipolitik aus diesem Blog draußen lassen?
      Es wurde schon mehrfach darum gebeten!

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