Eine Reminiszenz: 3 % Rückvergütung
Wenn Sie, geschätzte Leserin, geschätzter Leser uns einmal in unserem neuen (wunderbaren, wunderschönen, wundervollen) Depot in der Feldstraße besuchen kommen, dann werden Sie an dieser Stelle um die Ecke biegen. Es handelt sich um die Ecke Duilestraße und Feldstraße. Dort befand sich die Westösterreich-Zentrale des „Konsum Österreich“.
Der Konsum, der oft als „Roter Riese“ bezeichnet wurde, war eine der Arbeiter-Genossenschaften, die sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in Österreich entwickelten. Durch die politischen, militärischen und gesellschaftlichen Veränderungen immer wieder in wirtschaftliche Turbulenzen geraten, konnte sich das Unternehmen bis 1995 halten. Der dann folgende Konkurs war eine Tragödie aus Misswirtschaft, überforderten (hochbezahlten) Managern und dem Verfall des klassischen Arbeitertums.
Früher war die (nicht-)Mitgliedschaft im Konsum auch eine Frage der politischen Orientierung einer Familie. Es gab wohl nicht viele bürgerlich-schwarze Familien, in denen es eine Konsum-Mitgliedschaft gab. Das war etwas für die „Sozis“. 3 % Rückvergütung hin oder her.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signatur: Ph/A-24.372-118)
Und im Vordergrund wieder eine sehr seltene Ansicht. Es handelt sich nicht, wie man vielleicht meinen möchte, um eines der in dieser Gegend heute noch zahlreich vorhandenen Industriegleise der Vollbahn, sondern um das ehemalige Westbahnhof-Anschlussgleis der Straßenbahn, von dem ich bisher auch noch kein Foto gesehen hatte (für einen 90°-Blick jeweils nach rechts und nach links würde ich einiges geben). Während der Existenz des sogenannten Westbahnhofviaduktes, also bis 1956, zweigte von der Strecke der Linie 1 in der Pastorstraße ein Gleis in Richtung Duilestraße und Feldstraße in das Gelände des Westbahnhofs ab, das dort in direkter Nachbarschaft eines Stichgleises der Vollbahn endete. Es diente dem Umladen von Fracht zwischen Vollbahn und dem Meterspurnetz der Straßenbahn, Localbahn, Mittelgebirgsbahn und Stubaitalbahn. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden von dort vor allem Güterwagen zur Stubaitalbahn rangiert, was technisch schon etwas ziemlich Spezielles war: mit einem Arbeitstriebwagen unter 600 V DC wurden Züge mit Fracht, umgeladen aus Güterwaggons des mit 15 kV AC elektrifizierten Vollbahnnetzes, auf die Stubaitalbahn mit ihren 3 kV AC überführt, wo die Güterwagen an der Systemtrennstelle des Verbindungsgleises beim Stubaitalbahnhof übergeben wurden.
Das Westbahnhof-Anschlussgleis der Tram verlief vor der Konsum-Zentrale. Gleisende und Umladestelle dürften etwa 100-150 m westlich des Aufnahmeortes gewesen sein.
Neu wäre mir allerdings, dass die Anlage zweigleisig endete, was die Aufnahme vermuten lässt, auf der ja eindeutig zwei Gleise zu sehen sind. Sofern das Gleis im Vordergrund kein parallel verlaufendes Vollbahngleis ist, vielleicht jenes, das zum Umladen verwendet wurde. Eher sieht es aber nach einem zweiten Gleis aus, das links außerhalb des Bildrandes vom Tramgleis abzweigt. Die Fahrleitung oben im Vordergrund stützt diese These, da es sich eindeutig um eine einfache 600-V-Fahrleitung (im Gegensatz zu einer Hochkettenfahrleitung der Vollbahn) handelt.
Danke wieder mal, Lukas, für dieses aus Sicht von Straßenbahn-Interessierten sehr interessante Foto!
Ergänzend: nach einem Hinweis an anderer Stelle – danke dafür – klärt sich die Frage nach dem zweiten Gleis. Das Westbahnhofviadukt verlief ja direkt westlich der Neuhauserstraße. In der Verlängerung dieser passt das genau zu dem abgebildeten Gleis im Vordergrund. Ein Blick auf den Stadtplan bestätigt das sofort. Ich verortete das alles immer weiter östlich, ohne jedoch jemals recherchiert zu haben. Wir sehen also vorne das Streckengleis der Linie 1, das direkt vor dem Konsum-Gebäude vom Viadukt herunterkam, und davon abzweigend das Westbahnhof-Anschlussgleis, das in diesem Fall viel kürzer gewesen sein muss als ich immer dachte, wenn es, wie ich vermute, neben einem dort noch bestehenden Vollbahngleis endete: nämlich nicht viel länger als 100 Meter.
Ob sich dort an der Fassade des ehemaligen Konsum-Gebäudes noch Fahrleitungs-Querspanner-Rosetten finden lassen, wie sie etwa in der Leopoldstraße noch immer existieren?