Ehetragödie am Lanser See. (Teil 2: Der Prozess)
Der Prozess gegen Olga Purlein, die wegen schwerer Körperverletzung angeklagt war, fand am 24. und am 25. November vor einem Schöffengericht unter Vorsitz des Hofrats Dr. Beyrer in Innsbruck statt. Vor dem Prozess wurde Frau Pulein von dem Gerichtspsychiater Dr. Ipsen untersucht. Über sein Gutachten wurde im Tiroler Anzeiger am 24. November 1926 Folgendes berichtet: „Das Gutachten läßt in seiner Zusammenfassung den Schluß zu, daß Olga Purlein zwar eine in ihrer nervösen und seelischen Gesundheit geschwächte Persönlichkeit ist, die auf dem Boden einer krankhaften Störung des seelischen Gleichgewichtes und der nervösen Widerstandskraft und unter dem Eindrucke der gespannten Situation im Schwimmbad das Attentat auf den Gatten verübt, ohne daß jedoch von einer eigentlichen Geistesstörung, bzw. einem krankhaften Ausnahmezustand in der Richtung einer Sinnesverwirrung mit Aufhebung der Verantwortungsfähigkeit für die Straftat vom 6. Juni 1926 gesprochen werden könne.“
Am 26. November wurde im Tiroler Anzeiger ausführlich über den Prozeß berichtet. Die Angeklagte, der Geschädigte und zahlreiche Zeugen wurden zu dem Vorfall, aber auch zur Vorgeschichte die zu dieser Tat geführt hatte, befragt. Auch die Rolle Irene Hubers, die laut Frau Purlein, aber auch laut der Aussage einiger Zeugen eine etwas zu enge Beziehung mit ihrem Mann hatte, wurde gründlich beleuchtet. Die junge Dame musste selbst aussagen und verhedderte sich dabei in Widersprüche. Der Staatsanwalt Dr. Moser schilderte den objektiven Tatbestand des Verbrechens und folgerte daraus, daß die Angeklagte den Revolver in feindseliger Absicht zum Lansersee mitgenommen hatte. Er merkte als Milderungsgrund aber auch an, „daß die Tat nur auf dem Sumpfboden einer Gesellschaft möglich war, die bis in ihr innerstes Mark sittlich und moralisch krank sei.“ Der Verteidiger Dr. Maly „stellte in den Vordergrund seines Plädoyers den Satz: „Wir beurteilen hier nicht die Tat, sondern die Täterin.“ An Hand des Beweisverfahrens beleuchtete er die Ehetragödie der Angeklagten deren letzte Folge der Schuß im Familienbad sei. Es sei kein Zweifel, daß die Tat in einem Zustande momentaner Sinnesverwirrung verübt worden sei.“ Er forderte deshalb den Freispruch für seine Mandantin.
Nach einer kurzen Beratung wurde die Angeklagte Olga Purlein vom Verbrechen der schweren Körperverletzung freigesprochen. In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende Hofrat Dr. Beyrer an, „daß das Gericht zur Annahme gelangt sei, daß ein Zustand der Sinnesverwirrung zur Zeit der Tat vorgelegen habe, der einen seelischen Ausnahmezustand darstelle. Mag auch die Verantwortungsfähigkeit im medizinischen Sinne nicht voll aufgegeben gewesen sein, so seien doch juridisch gerechtfertigte Zweifel für die Verantwortlichkeit der Angeklagten gegeben. Demgemäß sei der Senat zum Freispruch gelangt.“
Beim Titelbild handelt es sich um eine schwarz-weiß Postkarte, die aus der Fotokunstanstalt Künz, die in der Anichstraße 32 ihren Firmensitz hatte, stammt.
(Stadtarchiv Innsbruck, Ph-36068)