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Der Wind, Der Wind …

Der Wind, der Wind …

… zeigte sich am 9. Dezember 1954 von seiner ganz und gar nicht himmlischen Seite und fegte die Haller Trampl wie Spielzeug vom Gleis. Sie befand sich gerade auf der Fahrt von Hall nach Innsbruck (planmäßige Abfahrt um 20:21 Uhr) als sie in der Nähe der Lorretto-Kreuzung von einer heftigen Böe erfasst wurde, die sowohl den Triebwagen (immerhin 18 Tonnen schwer) als auch die beiden Anhänger umwarf. Wie die Tiroler Tageszeitung tags darauf berichtete, hätte die „mäßig besetzte Tram […] in ihrem Sturz nahezu einen Personenwagen, der von einem Ausländer gesteuert war, zerquetscht.“ Was es mit diesem „Ausländer“ auf sich hatte, der an diesem stürmischen Dezemberabend mit knapper Not dem Tod entgangen war, erfahren Sie gleich. Wenden wir uns zunächst der Rettung der Fahrgäste zu.

Um 20:37 Uhr hatten die Innsbrucker Verkehrsbetriebe die Berufsfeuerwehr alarmiert, die daraufhin mit dem LF 15/2 und dem Kranwagen zur Unglückstelle ausrückte. Bereits acht (!) Minuten später traf sie an der Einsatzstelle ein. Dort bot sich den Einsatzkräften ein Bild der Verwüstung. Zuerst galt es die Insassen aus der Straßenbahngarnitur zu retten. Wie durch ein Wunder überlebten alle Fahrgäste das Unglück, zwölf von ihnen erlitten leichte bis mittlere Verletzungen (Gehirnerschütterungen, Schnittwunden, Prellungen und Hautabschürfungen), neun Insassen blieben unverletzt.

Die Innsbrucker Berufsfeuerwehr an der Einsatzstelle …

Nachdem die Personen geborgen waren, wurden die Wagen mittels Kranwagen zur Seite gezogen und gemeinsam mit dem Gend. Bergungstrupp und nach Ankunft des IVB-Hilfszuges auch der 18.000 kg schwere Triebwagen in die Geleise gehoben. Die Glasscherben von der Straße entfernt. Nach halbstündiger Arbeit war der Strassenverkehr frei und nach ca. weiteren 3 Stunden konnte auch die Straßenbahn wieder verkehren. […] Durch den herrschenden starken Wind wurde die Bergung sehr erschwert.

StAI, Archiv der Feuerwehr Innsbruck, Einsatzbericht der BFI, 9. Dezember 1954.

Eine durchaus beachtliche Leistung der Einsatzkräfte! Nicht schlecht gestaunt haben dürfte man auch in der Redaktion der TT, als sich dort der oben erwähnte „Ausländer“ gemeldet hat. Aber lesen Sie selbst:

TT v. 11. Dezember 1954

(Historisches Archiv der LPD Tirol, Chronik der Bundespolizeidirektion Innsbruck)

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare
  1. Auf dem Heimweg von einem abendlichen Sprachkurs habe ich an diesem 9.12. den schaurigen Föhnsturm erlebt. Schaurig deshalb, weil der Sturm so heftig an den Lampen der Straßenbeleuchtung zerrte, daß ich wirklich Angst hatte, er könnte sie samt den Befestigungsdraht-Verankerungen an den Hauswänden auf die Fahrbahn herabreißen. Es war tatsächlich schaurig.
    Eigenartig nur, daß ich in der von Nord nach Süd führenden Straße das Gefühl hatte, der Wind käme plötzlich von Norden – wie ein Wirbelsturm….
    Aber daß der Föhnsturm sogar die Hallerin umwerfen könnte…. man hätte es nie für möglich gehalten.

    1. Aus meiner Zeit als Radfahrender weiß ich: Der Föhn brachte durchaus das Kunststück zusammen, dass, wenn sich zwei Radfahrer entgegen kamen, beide in der selben Straße Gegenwind hatten. Als Radfahrer hatte ich bei Föhn prinzipiell immer Gegenwind. Mich wundert grad, dass er die Haller nicht wieder in Richtung Hall auf die Schienen gestellt hat.

  2. Danke für diesen Beitrag zu diesem „legendären“ historischen Unglück, über das jede Person, die sich für Innsbrucks Nahverkehr interessiert, über kurz oder lang stolpert. Das Titelfoto oder ein sehr ähnliches findet sich auch in diversen Publikationen, das zweite Motiv hingegen ist mir neu. Existiert dazu eine
    umfangreichere Fotodokumentation?
    Neu ist mir auch, dass es sich offenbar um einen Minitornado gehandelt hat. Die Erzählung des oberösterreichischen Autofahrers ist überhaupt interessant (und unterhaltsam).
    Der betroffene Triebwagen Nr. 5 wog, da mit nur zwei Motoren ausgestattet, 15,5 Tonnen; ich glaube nicht, dass er bei einer Belegung von einigen wenigen Fahrgästen auf 18 Tonnen kam. Auf 18,5 Tonnen kommen jene Triebwagen dieser Fahrzeugserie, die vier Motoren hatten bzw. haben.

    1. Die damals in der TT zu lesende Bezeichnung des Sturmphänomens lautete „Windhose“, was eben auch den typischen Wolkenschlauch beschreibt. Damals war Windhose noch bekannter.

      Was mich wundert ist wie schnell man den Triebwagen mit seinem herunterbaumelnden Räderwerk wieder aufs Gleis stellen konnte.

      Ansonsten entbehrt die Geschichte nicht einer gewissen Komik, wie das plötzliche Verschwinden des schon herannahenden Scheinwerferlichts und der anstelle der erwarteten Haller herbei eilende Schaffner, der die zuerst absolut unglaubwürdige Nachricht dem Personal des in Rum wartenden Gegenzugs überbrachte. Dieser Unglauben soll sich auch bei der Verständigung der Einsatzkräfte wiederholt haben, man habe einen Scherzanruf vermutet…

    2. Eine umfangreichere Fotodokumentation existiert meines Wissens nicht. In der Chronik der Bundespolizeidirektion Innsbruck finden sich lediglich die zwei im Beitrag veröffentlichten Aufnahmen.

  3. Na Gottseidank bin i erscht in die 70er mit der „Haller Raffl“ jedes Wochenende nach Hall ins Kurcafe zum Schekn (= Tanzn) gfahrn. Mensch, da hamma oan aufgschekt ! Also bei meine Fahrten hats nia oan Sturm gebn. Wahrscheinlich, weil i immer die Windhosn anghabt hab…

    1. Dass mir d a s Wort noch einmal höre bzw. lese! Die Jüngeren haben keine Ahnung was scheken sein soll, oder?

      Ein damals moderner Tanz hieß englisch Shake und war mehr oder weniger ein auf der Stelle tretendes Achselzucken, jede(r) zuckte für sich. Eigentlich kein Tanz den man lernen mußte, konnte jede(r). Wenn „sie“ dabei überall hingeschaut hat, nur nicht zu dir, dann hat man irgendwas Unergründliches falsch gemacht. Das komplette Gegenteil, den geschlossen getanzten Schleicher, konnte man somit als Stufe 2 abschminken. Jugendträume und Dramen.
      in der damaligen Kindersprache war gleich einmal jede Bewegung am Tanzboden „scheijken“, in Pradl „scheijkchen“.

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