Archivding der Woche
Bei der Bearbeitung eines kürzlich erworbenen Bestandes bin ich auf dieses „Archivding der Woche“ gestoßen. Wir haben etwas mehr Informationen darüber – aber trotzdem würde mich interessieren, was Sie zu diesem Fund sagen! Auf dem Foto können wir den Briefumschlag erkennen mit einer teilweise erhaltenen Briefmarke. Rechts daneben befindet sich eine handschriftliche Notiz, welche uns auf der Rückseite die „geheime“ Information preisgibt. Doch was ist das orange – gelblich wirkende Etwas rechts unten in der Aufnahme?
Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, (Aufnahme vom 28.06.2023 )
Autorin: Vanessa Jenewein
NEEIIIN! Ich kann nicht glauben, was ich hier lese. Noch weniger kann ich glauben, dass man so etwas mit einem Brief verschickt.
DOOOCH! Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht, Frau Stolz, und das vor dem Frühstück.
Ich habs zuerst für ein vergilbtes Stück tränenheiß geschenktes Rosenblatt oder profaner für eine Probe eines Tabakblattes gehalten.
Und dann heißt dieser wohlgeborene Herr Josef aus Laibach auch noch Vogl!
Aber Vogl hieß ja der Empfänger. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er den Inhalt dieses Briefes erwartet oder gar „bestellt“ hat. Falls der Absender allerdings der Bruder oder Vater des Adressaten war, hieß er natürlich auch Vogl. Allerdings ist dieser Versand für mich mit dem Namen allein nicht erklärbar …
Was ist nun die „geheime“ Information auf der Rückseite des Zettels??
Lieber Herr Roilo, ist es möglich, dass Sie das Image der Rückseite des Zettels, das ich Ihnen gesandt habe, hier hereinstellen, damit auch alle Anderen, die nicht solche Möglichkeiten der Bildbearbeitung haben, an der Lösung des Rätsels teilnehmen können. Mir selbst und Allen die ich bisher befragt habe, war es aber nicht möglich, das entscheidende Wort zu entziffern. Der Rest des Textes lautet ungefähr: „Das ist die(der?) ????? in(?) der mein Großvater Karl ??? der 1857 in Mürzzuschlag auf die Welt gekommen ist“
Hier bitte:
https://postimg.cc/JsTs1rB8
Herzlichen Dank. Nun bin ich und meine Mitratenden neugierig, ob neben Frau Stolz und Herrn Hirsch noch jemand das ominöse Wort entziffern kann.
Jedenfalls bin ich über
„geburtsreportage.de/blog/von-glueckskindern/“Markt“f.Eihäute“
mitten im Reiche der Mythen, Märchen und Sagen gelandet.
Danke für diesen Beitrag!
Zum direkt aufrufen: https://geburtsreportage.de/blog/von-glueckskindern/
Ich lese spontan:
Das ist die Überhaut in….
Ja, Überhaut ist das erste, das alle entziffert haben. Aber den Begriff gibt es nicht. Einzig im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm scheint er auf als angeborene Verdickung an den Tierfüßen (“ … hat das thier und nicht der mensch“). Es gibt zwar den Begriff der Oberhaut als die äußerste Schicht der Haut, die man sich (zu unserer Zeit) in sommerlichen Kinderzeiten nach jedem Sonnenbrand vom Rücken geschält hat, aber die kann wohl nicht gemeint sein.
Um auf das ungläubige Erstaunen der Frau Stolz zurückzukommen: Ist es möglich, dass sie und auch Herr Hirsch statt „Über-“ „Vor-“ gelesen haben? Das haben jedenfalls einige unserer Mitratenden vermutet. Im jüdischen Beschneidungsritual „Brit Mila“ wird ja diese von den Knaben entfernt, wobei ich über den Weiterverbleib derselben keinerlei Information gefunden habe. Und im Jiddischen habe ich auch kein Synonym für Vor- und Überhaut gefunden. Aber vielleicht haben wir uns völlig verrannt. Wir sind jedenfalls schon sehr auf die Lösung des Rätsels gespannt.
Ach so. Nein, mir hat schon …haut genügt. Das war sofort lesbar.
Wenn man den von Frau Stepanek weiter oben angeführten Hinweis folgt (https://geburtsreportage.de/blog/von-glueckskindern/) und liest, braucht man nicht mehr lange hin und her raten. „Überhaut“ im Sinne von „drüber, drumherum“ ist wohl kein Fachausdruck dafür, aber kommt ganz gut hin. Sicher hat es nichts mit „Oberhaut“ oder gar „Vorhaut“ zu tun.
Sie haben sicher recht. Das wirds dann wohl gewesen sein.
Das Wort Überhaut fand ich nicht aallzu schwierig zu lesen, zumal es oberhalb auch noch mit „zug“ (Überzug) ergänzt wurde. Ich wusste von dem Phänomen, dass Kinder sehr selten, aber doch manchmal mit der Fruchtblase geboren werden. Erstaunt hat mich die Tatsache, dass man diese aufbewahrt und dann noch mit einem Brief verschickt. Mich wunderte auch, dass sich solche Eihäute dermaßen lange halten. Nachdem ich den von Frau Stepanek verlinkten Artikel gelesen hatte, reduzierte sich allerdings mein Wundern (Stichwort Talisman). Trotzdem werde ich bei Gelegenheit eine Spezialistin fragen, warum das möglich ist.
Ich habe nur IrfanView zur Verfügung – und meine Lupe 😉 – mit deren Hilfe habe ich den Text wie folgt gelesen: „Das ist die Überhaut (zug) mit der mein Großvater Karl Hackl am 27.ten II. (11. ?) 1857 (?) in Mürzzuschlag auf die Welt gekommen ist.“
Weil ich mir weder beim Nachnamen noch beim Datum sicher war, habe ich mich zwecks Bestätigung bzw. Korrektur auf die Suche begeben. In sämtlichen Taufbüchern von Mürzzuschlag, Laibach und Jenbach verlief die Suche nach irgendeinem Hinweis auf den Täufling „Großvater Karl“ negativ.
Im Traubuch der Pfarre Wilten fand ich dann einen Carl Hackl, lediger Maschinenschlosser in Wilten, der am 5. 4. 1880 in Mitterolang / Bruneck zur Welt kam und am 9. 6. 1908 Hedwig Katharina Maier heiratete. In diesem Eintrag werden als seine Eltern Josepha, geb. Scharlach und Karl Hackl, Hüttenwerksbeamter zuständig nach Jenbach angeführt.
Im Taufbucheintrag der Pfarrei Niederolang werden die Eltern natürlich auch genannt, aber eigenartigerweise keine der sonst üblichen Daten und Herkunftsangaben. Als Berufsbezeichnung des Vaters ist hier (28 Jahre früher) zu lesen „Telegrafist und Stationsaufseher der k. k. Südbahngesellschaft, heimathberechtigt in Laibach.“ Bei Laibach wurde ich hellhörig und war gespannt, ob es womöglich eine Verbindung zum Adressaten auf dem Titelbild gibt.
Einen einzigen Hinweis gab es noch im TB-Eintrag von Niederolang. Hier wird als Taufpatin genannt „Anna Hackl, Stations-Aufsehers-Witwe in Villach, Großmutter des Kindes.“ Demnach muss sie die Ehefrau des im Beitrag genannten Großvaters Karl gewesen sein, der ebenfalls Stations-Aufseher war, die Taufe seines Enkels im April 1880 aber nicht mehr erlebte.
Sehr karge Einträge, kein Geburtsdatum, kein Hochzeitsdatum und kein lediger Name von Anna Hackl. Im Sterbebuch der Pfarre St. Nikolai / Villach steht das zwar alles auch nicht, aber der Geburtsort Weißensulz / Böhmen, das Todesdatum (27. 8. 1887) und das Alter (72 J.) sind angegeben. Demnach musste Anna Hackl im Jahr 1815 zur Welt gekommen sein.
1815 sind lt. dem Geburts- und Taufbuch der Pfarrgemeinde Weißensulz / Bělá nad Radbuzou (https://www.portafontium.eu/?language=de) 10 Mädchen auf den Namen Anna getauft worden. Ohne Kenntnis des Nachnamens hätte jedes von ihnen die spätere Anna Hackl sein können, aber nur eine war die Tochter des Wagnermeisters Andreas Vogl. Das ist jetzt alles noch kein Beweis für irgendeinen Zusammenhang mit dem Adressaten. Ich bin in den dortigen Matriken auch auf einige Josef (Joseph) Vogl gestoßen, das ging sich aber mit den Daten nie wirklich aus.
Bevor ich mich noch mehr „verrenne“ frag‘ ich jetzt einfach mal die Autorin dieses speziellen Beitrages, ob auf der Original-Rückseite des von Herrn Engelbert Hackl datierten und unterzeichneten Zettels das Geburtsdatum von „Großvater Karl“ eindeutig zu lesen ist oder es vielleicht sogar einen Absender gibt. Falls ja, liebe Frau Jenewein, wären Sie so freundlich das zu verraten?
Liebe Frau Stolz, meine aufrichtige Bewunderung für Ihre Recherche. Da müssen auch die Fachleute vom Stadtarchiv ihren Hut ziehen.
Liebe Frau Stolz. Ich ziehe ehrfürchtig meinen Hut vor der Akribie der Recherche!
Ich bin wirklich begeistert von Ihren Recherche Fähigkeiten. Sie haben das Rätsel eigentlich schon ohne mich aufgelöst. Auf der Rückseite steht geschrieben: „Das ist die Überhaut in der mein Großvater Karl Hackl am 27.11.1851 in Mürzzuschlag auf die Welt gekommen ist“. Wir gehen davon aus, dass es sich um die Fruchtblase handelt. In selten Fällen können Kinder noch eingehüllt in der Fruchtblase auf die Welt kommen. In einer Vorlesung haben wir gelernt, dass dies als gutes Zeichen galt.
Tut mir Leid, dass meine Antwort so lange auf sich warten hat lassen – aber mein Praktikum war Ende Juni leider schon zu Ende. Den Beitrag habe ich nun um das Bild mit der Lösung ergänzt. Es freut mich, dass Sie so viel Interesse für mein Archivding der Woche gezeigt haben und ich kann Ihnen nur nochmals gratulieren!! Besonders die Bildbearbeitung und Entschlüsselung – das würde ich auch gerne beherrschen ;).
Vielen Dank, Frau Jenewein, für Ihre Rückmeldung und das zusätzlich eingestellte Foto! Sehr freundlich von Ihnen, zumal Sie ja gar nicht mehr in „Amt und Würden“ sind und sich vermutlich wohlverdiente Ferien gönnen.
Weil ich das Datum (inkl. Jahr) so schlecht lesen konnte, habe ich im Taufbuch von Mürzzuschlag den 27. Jänner, 27. Feber und 27. November sowohl im Jahr 1857 als auch 1853 gesucht. Da hätte ich 1852 und 1851 grad auch noch dazunehmen können. Jetzt aber g’schwind im Taufbuch 1851 geblättert und fündig geworden:
(Großvater) Karl Hackl wurde am 27. November 1851 um halb fünf Uhr früh in Mürzzuschlag, Markt Nr. 36 geboren und am 28. November getauft.
Vater: „Johann Hackl, gewes. Conducteur bei der k. k. Süd-Staatsbahn, nunmehro Wagnermeister dortselbst.“
Mutter: „Anna geb. Vogel Ehegattin“
Pate: „Karl Vostner, k. k. Baudirektionsassistent zu Hermannstadt.“
Bei dieser Gelegenheit auch ein Dankeschön an Herrn Schönegger und Herrn Herbst für das positive Feedback!