An einem Tag im Mai…
… des Jahres 1931 schleppt der Schuldiener Hans Steiner den langen schmalen Teppich in den Hof der Bundes-Lehrerbildungsanstalt in der Innsbrucker Fallmerayerstraße. Die 36 Übungshauptschülerinnen im Alter von etwa elf bis 13 Jahren, die hier am Tag der Firmung für ein Foto posieren, sollen ihre blütenweißen Kleider nicht gleich am ersten Tag ruinieren.
Von den Schülerinnen kennen wir zwei, beide wurden 1920 geboren. In der ersten Reihe, dritte von links, sitzt mit Doppelkranz Grete Heller. Ihre Mutter Sophie ist Weißnäherin in der Innsbrucker Müllerstraße 35 und hat ihr, auch wenn sie beruflich auf Bett- und Tischwäsche spezialisiert ist, sicher auch dieses Kleid genäht.
In der dritten Reihe steht eine Schülerin direkt hinter Direktor Alfons Frick, die sich bei einer Ausstellung über die Wiltener Hinterhöfe 2014 als 94jährige auf diesem Bild selbst erkannt hat. Leider hat sich der Autor dieses Beitrags ihren Namen nicht ordentlich aufgeschrieben.
Zwei Schülerinnen tragen keinen Blumenkranz im Haar. Der Grund ist wohl, dass sie an diesem Tag keine Firmung hatten… entweder waren sie aus einer evangelischen oder aus einer jüdischen Innsbrucker Familie.
Die Gesichtsausdrücke der Mädchen näher zu erforschen, ist ein großes Vergnügen. Von gelangweilt bis fröhlich, von skeptisch bis forsch; die jungen Damen werden nicht zum ersten Mal in ihrem Leben fotografiert, das sieht man. Sie stammen aus bürgerlichen Familien und bei manchem Gesicht kommt einem vor, man kenne eine Nachfahrin aus der Innsbrucker Gesellschaft von heute.
Wenige Tage zuvor bat die Hochwürdigste Apostolische Administratur im Allgemeinen Tiroler Anzeiger in den Kirchlichen Nachrichten um die Einhaltung einiger Regeln bei der Firmung: „Die Paten und Eltern sind dringend gebeten, von äußerlichem Luxus abzusehen, um nicht mit Gewalt jede Innerlichkeit des Sakramentserlebnisses zu ersticken, sowie den Genuß alkoholischer Getränke der Kinder zu verhindern. Die Damenwelt ist gebeten, für die heilige Feier jene Auswahl ihrer Kleidung zu treffen, die sich für die Heiligkeit des Gotteshauses einzig ziemt.“
Auf der Rückseite des Bildes aus der Sammlung der Familie Hosp (der Tochter von Grete Heller) stehen keine weiteren Angaben, auch nicht der Name der Klassenlehrerin. In den Innsbrucker Adressbüchern aus dieser finden sich die Namen Ida Feichter, Maria Gasperi, Anna Maurer und Johanna Billek mit Beruf „Lehrerin an der L.=B.=A.“; vielleicht können wir das ja noch herausfinden.
Die bekannteste Person auf diesem Bild ist der Mann mit den verschränkten Armen. Otto Neururer ist 1931 Religionslehrer sowie „Propstei- und Stadtpfarr-Kooperator“ und wohnt am Pfarrplatz 5, dem heutigen Domplatz. Etwa ein Jahr nach dem Entstehen dieses Bildes wird er Pfarrer in Götzens.
Vor genau 80 Jahren, am 30. Mai 1940, wurde Otto Neururer im KZ Buchenwald ermordet. In Innsbruck, Götzens und in seinem Geburtsort Piller gibt es heute Gedenkveranstaltungen, die Corona-bedingt eher klein gehalten sind. Seit 1996 gilt der prononcierte Gegner des Nationalsozialismus als Märtyrer und Seliger der katholischen Kirche; sein Leben ist gut erforscht und mittlerweile auch verfilmt.