Ich bin ein Musikante (3)
Etwa ein Monat nach dem Auftritt der Wiltener Musikkapelle in Cannes zu Ostern 1937 reiste sie, als direkte Folge davon erneut nach Südfrankreich und zwar zu Pfingsten nach Nizza. Im Fotoalbum lautet die Überschrift „Cannes Pfingsten 1937“, in der Folge sind aber sowohl Fotos aus Cannes und Nizza eingeordnet und beschriftet. Die Berichterstattung zur ersten Reise (ATA 6. April 1937) nennt jedoch Nizza mit keinem Wort, und jene zur zweiten Reise (ATA 22. Mai 1937) beschränkt sich auf Nizza. Damit erhärtet sich die, bereits im ersten Beitrag geäußerte Vermutung, dass aus vormals losen Fotos mit einem gewissen zeitlichen Abstand ein Album gestaltet wurde, und dass die Erinnerung zu dem Zeitpunkt schon etwas verblasst war. Beim heutigen Titelbild „In Niza 1937 Am Strandbad“ ist die Zuordnung dank Beschriftung und Überprüfbarkeit eindeutig. Aber bei den zahlreichen Fotos ohne Ortsangabe (siehe etwa jene im Text von letzte Woche oder die untenstehenden) ist hingegen eigentlich nicht ganz klar, ob diese aus Cannes oder Nizza stammen. Dazu bräuchte es jetzt wieder ausgewiesene Expert:innen…


Die Pfingstreise und ihr Programm wurden Anfang Mai veröffentlicht, mit dem Hinweis, dass sich „auch Privatreisende zum bedeutend verbilligtem Preise von S 82.-“ (Umgerechnet ca. 400 Euro) an der einwöchigen Fahrt beteiligen konnten, „wobei jene in Tracht freien Eintritt bei allen Festlichkeiten genießen“. Dazu kamen noch etwa 40 Schilling Kosten für Verpflegung und Unterkunft. (ATA, 8.5.1937, S. 14). Inwiefern dieses Angebot angenommen wurde, wurde nicht kolportiert. Die Berichterstattung zur Reise vermerkt jedoch, dass sich sieben Schuhplattler aus Kirchbichl den Wiltenern angeschlossen hatten.
Der Allgemeine Anzeiger feiert die Musikkapelle quasi als die Stars von Nizza. Die Vermutung liegt nahe, dass der Text wohl aus dem Umfeld der Musiker selbst stammt:
„Am 15. d. langten die Tiroler Gäste in Nizza ein, wo sie mit großem Jubel empfangen und abends bei dem Musikfest im Opernhaus als einzige von 35 Gruppen aus sieben verschiedenen Ländern mit der Bundeshymne begrüßt wurden. Die Darbietungen der Tiroler wurden mit ungeheurem Beifall ausgezeichnet.
Am Pfingstsonntag vormittags war Empfang beim Bürgermeister von Nizza und nachher unter klingendem Spiel Einzug der Wiltener in die Kathedrale. Beim Intonieren der österreichischen Bundeshymne erhoben sich die Tausenden von Andächtigen von ihren Sitzen. In der Kirche selbst begrüßte der Bischof von Nizza den Obmann Baron Rudolf Wagner-Wehrborn und den Kapellmeister J. Tanzer und drückte seine Freude über das Erscheinen der schmucken Tiroler Musikkapelle aus. Am Nachmittag war eine volkstümliche Vorstellung auf der Promenade Anglaise, bei der die Kapelle schon bei ihrem Anmarsch herzlich bejubelt wurde. Die Zeitungen brachten spaltenlange Aufsätze über die Leistungen der Tiroler.
Eine besondere Ehrung wurde den Wiltenern zuteil, als sie am Abend zur großen Blumenschlacht von zwei französischen Militärkapellen eingeholt und auf den Festplatz geleitet wurden. Bei der Blumenschlacht waren die Wiltener mit ihren Marketenderinnen das besondere Ziel der Festgäste. […] Es ist unmöglich, alle Ehrungen aufzuzählen, die den Tirolern zuteil wurden.“ (ATA, 22.5.1937, S. 7)
Diese Zitate regen eigentlich richtiggehend dazu an, die Reise im Kontext der politischen und wirtschaftlichen Lage dieser Jahre einzuordnen und deuten (Förderung des Lokalpatriotismus als Abgrenzung zum Nationalsozialismus? Werbung im Ausland für ein unabhängiges Österreich? Maßnahmen zur Erschließung neuer Tourismusmärkte?) – aber da wird es dann doch sinnvoll sein, die Fachliteratur zur Hand zu nehmen.
(Ph-A-24354-14, Ph-A-24354-12, Ph-A-24354-08)
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Ja, ja, die „Hymne“ – von „Gott erhalte…“ (Franz, den Kaiser, bezw. ..Gott beschütze) über „Sei gesegnet ohne Ende…“) wurden dieser Melodie die Worte „Deutschland, Deutschland über a-ha-les…“unterlegt, bezw. -gejubelt .
Nein, der Josef Haydn konnte nichts dafür – oder am Ende doch?
Interessant wäre zu erfahren, wie Auftritt und Tracht der Musikkapelle und der Schuhplattler auf das Publikum an der Riviera tatsächlich gewirkt haben mögen. Auf das einfachere Publikum, meine ich, nicht auf die Gäste, die dort in den Hotels logierten…