Land unter in Rattenberg
Während oder nach diversen Naturkatastrophen und Bränden wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts häufig Fotos angefertigt, die danach als Postkartenmotive herangezogen wurden. In Zeiten, in denen die wenigsten Menschen eine eigene Kamera besaßen, dienten diese Karten zum Teil wohl als Informationsquelle für alle, die nicht dabei waren. Zum Teil kauften sie aber auch Leute, die auf die eine oder andere Art selbst betroffen waren, als „Erinnerungsstücke“ an schwere Zeiten, die sie mehr oder weniger gut bewältigt hatten.
Das Titelbild zeigt eine schwarz-weiß Postkarte auf der ein Teil der überfluteten Stadt Rattenberg zu sehen ist. Auf den menschenleeren Straßen ist nur ein Hund unterwegs, der neugierig in Richtung des Fotografen blickt. Die Karte trägt den in Goldbuchstaben geprägten Titel „Rattenberg Tirol am 24. Juni 1907“. Aus den Innsbrucker Nachrichten vom 24. Juni 1907 kann man erfahren, dass nach anhaltenden schweren Regenfällen nicht nur Rattenberg sondern auch viele andere Tiroler Gemeinden vom Hochwasser betroffen waren:
„Der Inn hat infolge des andauernden Regens schon gestern nachmittag eine gefährliche Höhe erreicht, heute früh zeigten die Pegel 3 Meter 50 Zentimeter; es ist dies der höchste Stand im heurigen Jahre. Seine wilden Wogen brachten gestern abend allerhand Sachen talabwärts, Holzgestänge, Bretter und anderes, die zum großen Teile von dem schon einmal zerstörten provisorischen Brückenstege bei Kranebitten herrühren sollen. In den Stadtteilen St. Nikolaus und Mariahilf hat das Grundwasser die Kellerräume unbrauchbar gemacht […] Die Sill führt hohe schmutzige Wogen, die auf elementare Katastrophen schließen lassen. Der Gießenbach in der Höttingerau macht sich ebenfalls recht unangenehm bemerkbar. In der Umgebung des Rößlwirtshauses überschwemmt er die Reichsstraße bis zu den Häusern hin. Aus Rattenberg schreibt man uns: Infolge der Regengüsse ist der ohnedies hochgehende Inn so angeschwollen, daß die tiefer liegenden Straßen und Häuser bereits heute unter Wasser stehen. Auch das auf den Feldern am Inn gemähte Heu leidet unter dem Andrange des Grundwassers.“
(Stadtarchiv Innsbruck, Ph-A-24684-241)