skip to Main Content
#bilderschauen --- #geschichtenlesen --- #gernauchwiederimarchiv
Illusorisches Im Juli 1914

Illusorisches im Juli 1914

Bitte lassen Sie sich von dem unter Zuhilfenahme analoger künstlicher Intelligenz erzeugten Trugbild nicht beirren. Es handelt sich um eine optische Täuschung: Das menschliche Auge, das oft nicht genug Zeit hat, sich alle Details einer Szene anzusehen, hat im Verbund mit dem im Großhirn angesiedelten Sehzentrum eine automatische Bild-Vervollständigung entwickelt, die bei guter Planung auch aufs Eis geführt werden kann.

Der Hund und die abgelichteten Personen – ein junger Mann, vermutlich seine Eltern und der unbekannte Hundehalter – befinden sich offensichtlich in einem Flugzeug. Von diesem kann aber angenommen werden, dass es nicht wirklich abheben konnte; außer den Bordwänden und Sitzen ist alles andere mit Öl auf Leinwand dreidimensional-illusionistisch gemalt. Auch der erreichte hohe Luftstand ist folglich nicht korrekt – bitte beachten Sie die hübsche Silhouette Innsbrucks mit der Nordkette an einem Julitag (Reste von Schneeflecken).

Der Mann am Steuer der einmotorigen Maschine ist der Medizinstudent Otto Luze, noch ohne Doktortitel, der sich Ende 1913 in Innsbruck als „Einjährig Freiwilliger“ gemeldet hat. Im Juli 1914 wechselte Otto Luze von der 3. Kompanie zur 1. Kompanie des 28. Infanterie-Regiments – laut Rückseite ist zu diesem Zeitpunkt das Foto entstanden. Es ist zu vermuten, dass ein (leider nicht genannter) Fotograf vor der Kaserne Stellung bezogen und den Familien diese Form von Erinnerungsbildern angeboten hat. Otto Luze wurde 1892 in Ludesch/Vorarlberg geboren, sein Vater August wurde später Transportkontrollor bei den Staatsbahnen in Innsbruck; Otto Luze maturierte 1911 im Akademischen Gymnasium, die Familie wohnte in der Weiherburggasse und wurde in der Zwischenkriegszeit in Hötting zuständig.

Die gute Laune der Familie Luze dürfte sich mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wenige Wochen später in Sorgen verwandelt haben. Schon im November 1914 kam Otto Luze in russische Gefangenschaft, was ihm vermutlich das Leben gerettet hat, da seine Einheit etwas später laut Expertise des Kollegen Matthias Egger fast völlig aufgerieben wurde. Ende 1916 wurde er mit einer Gruppe von Sanitätspersonal in einem Gefangenenaustausch mit den Russen befreit – und stand schon im März 1917 auf der nächsten Verlustliste mit dem Vermerk „war kriegsgef., ist wieder eingerückt“.

Nachsatz: In der Zwischenkriegszeit wurde Dr. Otto Luze nach Abschluss seines Medizinstudiums zunächst Assistenzarzt an der Klinik Innsbruck und dann Primar in Hall.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top
×Close search
Suche