Sommer 1914 (IX)
Anfang September 1914 begann sich das Blatt für die österreichisch-ungarische Armee an der Ostfront rasch zu wenden. Während Margarthe von Zepharovich in Innsbruck auffiel, „wie alles schon auf die Entscheidung wartet,die noch nicht da ist“ (1.9.) und die Zeitungen noch Erfolgsmeldungen von den Armeen Dankl und Auffenberg brachten (3.9), musste sich die k. u. k. Armee bereits am 2. September 1914 aus Lemberg zurückziehen. Alle Versuche den Vormarsch der zaristischen Truppen aufzuhalten scheiterten. Und so musste die k. u. k. Armee am 11. September 1914 schließlich den Rückzug hinter den San bzw. den Dunajec antreten.
An der Heimatfront konnten aber Anfang September 1914 nur kritische Zeitungsleserinnen und -leser den Ernst der Lage erahnen, die Meldungen wie „Noch ist Lemberg in unserem Besitz“ entsprechend zu deuten wussten. Margarthe von Zepharovich gewann aber noch am 5. September bei einem Stadtspaziergang den Eindruck, dass „alles […] voll Siegeszuversicht“ sei. Erst am 7. September brachten die Tageszeitungen die Nachricht von der Räumung Lembergs. Unter – meist euphemistischen – Schlagzeilen wie „Freiwillige Räumung Lembergs“ oder „Lemberg aus operativen Rücksichten geräumt“ – erfuhren die Leserinnen und Leser vom Rückzug. Auch Margarethe vermerkte an diesem Tag in in ihrem Tagebuch: „Lemberg ist geräumt, in russischen Händen, es soll aus taktischen Gründen sein, nicht aus Not sein, Gott geb’s!“
Abgesehen von den Kriegsereignissen schreibt Margarethe in ihrem Tagebuch auch weiterhin über ihren Alltag. Das Wetter in Innsbruck ist Anfang September 1914 spätsommerlich warm und lädt zu Ausflügen und Spaziergängen ein. Da aber beide Söhne gesundheitlich etwas angeschlagen sind, müssen diese unterbleiben. Margarethe geht immer wieder in die Stadt, um Besorgungen zu machen oder Neuigkeiten zu erfahren. Am 6. September – den Kindern geht es wieder gut – geht sie nach der Nachmittagsjause mit Karl und Alexander ins Theater-Kino (Grauer Bär). Dort läuft gerade „Der Nachtwanderer“ (ein Detektivfilm). Ob sie sich diesen Streifen ansehen, oder sich doch für das Lustspiel „Der Seufzerpark“ entscheiden, wissen wir leider nicht …
(Foto: StAI, KR-PL-42 / TB Margarethe von Zepharovich, Privatbesitz)