Katzenvideos um 1900
In den größeren Beständen von um die Jahrhundertwende fotografierenden Familien, die ihren Weg ins Stadtarchiv gefunden haben, gibt es eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Es handelte sich, das ist schon die erste Voraussetzung für die Ausübung des Fotografierens als Hobby, um wohlhabende Innsbrucker Bürger:innen. Man machte am Sonntag einen Ausflug ins Mittelgebirge, urlaubte im Sommer in der per Schiff und Bahn erreichbaren europäischen Umgebung, hatte ein Häuschen an einem See für die Monate in denen es im Saggen oder in Wilten zu heiß wurde. Die Kinder wurden bei jeder Freizeitaktivität, bevorzugt im Fasching, abgelichtet; der Weihnachtsbaum in der guten Stube war auch ein jährliches Motiv. Die jungen Männer wurden porträtiert, bevor es sie zum Militär und an die Universität zog, die Mädchen stickten vor der Kamera die Aussteuer in Ermangelung sonstiger täglicher Pflichten in Haushalt und Küche (das erledigen die Angestellten).
Und: Da sind die Hunde. Als wir im Volkskunstmuseum die Bilder der Familie Winkler betrachteten, erzählte Museumsleiter Karl C. Berger, wie zu der Zeit als Teile seiner Osttiroler Vorfahren am Rande der Hungerwirtschaft lebten, das Halten und besonders das kulinarische Verzarteln von Hunden durch Adelige und Reiche vom Volk als unanständig angesehen wurde. Ein Mann soll sogar seinen Hunden teure Marmorgräber errichtet haben, um diesen Betrag, hieß es, hätte eine arme Familie ein Jahr lang essen können, und als man einmal in der Nähe war habe man Nachschau gehalten, ob es diese Hunde-Mausoleen tatsächlich gäbe. Es gab sie.
In den Fotoalben der mittleren und arbeitenden Schichten treten die Haustier-Doppelseiten gehäuft erst nach 1950 auf. Wie heute bei Katzenvideos im Internet ist es manchmal nicht ganz einfach, die menschliche Affenliebe zu einem caniden oder felinen Familienmitglied nur über die verwackelten Bilder nachzuempfinden, auch wenn dieser gerade besonders süß in die Kamera linst.
(Titelbild Stereobild Sammlung Winkler, ca 1905)