Urbaner Gartenbau
Fragen wir einmal Wikipedia, was das eigentlich ist:
„Urbaner Gartenbau, auch Urban Gardening, ist die meist kleinräumige, gärtnerische Nutzung städtischer Flächen innerhalb von Siedlungsgebieten oder in deren direktem Umfeld. Die nachhaltige Bewirtschaftung der gärtnerischen Kulturen, die umweltschonende Produktion und ein bewusster Konsum der landwirtschaftlichen Erzeugnisse stehen im Vordergrund.“
Der Schrebergarten, wie er in Österreich meist bezeichnet wird, stammt aus der Jahrhundertwende auf das 20. Jahrhundert, hat vor allem nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der katastrophalen Ernährungssituation in Tirol weite Verbreitung gefunden.
Heute gibt es einerseits Schrebergärten, aber auch Gemeinschaftsgärten und gepachtete Grundparzellen, die als Gemüselieferant für den Haushalt eher ökologischen Prinzipien folgen. Gleichzeitig bieten diese Gemeinschaften auch so etwas wie ein soziales Netzwerk.
Doch zurück nach Wilten. Fast im Schatten der Stiftskirche und dem Leuthaus – naja, Schattenwurf von Norden aus ist eher selten – sehen wir eine große Ansammlung von Kleingärten. Man könnte sich fragen, ob da so viele Bohnen gezogen wurden oder welche anderen Früchte so viele Kletterhilfen benötigen.
Für den genauen Betrachter gibt es aber auch eine Stinkfrucht zu erkennen.
Rechts trudelt gerade eine Garnitur aus Fulpmes ein. Was sich wohl im hintersten Wagon befunden hat und seit wann braucht es den eigentlich nicht mehr?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck)
Ja, da schau her! Da sind wir ja in der Zeit von meinem Geburtsjahr bis Spätsommer 1944 (den Stangenbohnen – auch „Fisöhln“ genannt – nach zu urteilen, denn im Frühjahr 1945 wären sie ja noch nicht „g’setzt“ worden – das darf man ja erst n a c h den Eisheiligen – und die sind am 12., 13., 14. Mai – und da war dieser Spuk schon halbwegs vorüber…
Darf ich mich auf (2.Hälfte?) Juni korrigieren – es blühen ja die Madonnenlilien, soviel ich sehe.
Doe Stinkfrucht ist wohl symbolisch gemeint. Ich kannte auch den Begriff Kartoffelkäfer, oder Grumbierechäfer, wie ihn meine allemannischsprachige Mtter aussprach.
Das hellgraue Anhängsel bei der Stubaier war das „Postwagele“. Ich glaub mich erinnern zu können, daß es an den Tagesrandzügen angehängt war, in der früh hinein, amAbend wie am Foto heraus. in den Postamtlosen Gemeinden Mutters und Natters konnte man der STubaier Briefe anvertrauen.
Sehr schön die noch intakte Allee.
Mit der Stinkfrucht ist bestimmt die recht überdimensionale Hakenkreuzfahne gemeint, welche die Gesinnung eines Schrebergärtners verrät und zugleich die Datierung des Bildes eingrenzt.
Bei genauerer Betrachtung findet sich auch am Turm der Wiltener Stiftskirche eine zweite NS-Fahne bzw. „optische Stinkfrucht“. Das Foto wurde bestimmt vor jenen Bombenangriffen aufgenommen, bei welchen das Stift Wilten samt Kirche schwer beschädigt wurde. Damit lässt sich die Datierung weiter eingrenzen.
Herr Auer, ich hab noch eine dritte gefunden – am „Leuthaus“ – also, wenn man nicht wüßte, daß daß Stift „aufgehoben“ war – und die Chorherren „vertrieben“, dann gäbe es jetzt einen sogenannten „Erklärungsnotstand“
Auf der Tür drunten prangte auch eine: https://postimg.cc/8FYhwk0Z (da war ich keine vier Jahre alt). Ob mein Vater gerade deshalb dieses Foto schoss? Keinerlei Ahnung, welche Einstellung er hatte. Noch im selben Jahr musste er einrücken, ich sah in fast nicht mehr, 1946 starb er!
Das Ding an der Tür haben wohl brav gehorchende Mitglieder der Sturmabteilung (allein dieses Wort!) hingemalt. Mit diesen Pöbeltruppen fürs Grobe war nicht zu spaßen, das sah man ihnen schon auf Fotos an und reicht als Erklärung für manche „erklärungsbedürftige“ Fahnen und oft vorgeworfenes Mundhalten. Das fiel nur der Kunstfigur des Bockerer so leicht, sie zu verspotten.
Um Ihre Kriegskinderzeit sind Sie nicht zu beneiden, Herr Roilo.
„Nach einer halbjährigen Pause folgte am 13. Juni 1944 der eritte Angriff auf Innsbruck.
Dies war für das Stift und besonders für die Stiftskirche der schwärzeste Tag der Kriegsjahre. Eine Sprengbombe zerstörte den obersten Teil des Fassadenmittelstücks der Kirche und die Vorhalle samt Orgelempore. Die Stiftsorgel aus dem Jahre 1838 von Johann Georg Gröber wurde total vernichtet.
Auch die Gewölbe der ersten zwei Langhausjoche wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Hier und in allen übrigen Gewölbejochen sind Teile der Deckengemälde von Kaspar Waldmann (1702-1707) und die Stukkaturen von Bernardo Pasquale (1702-1703) heruntergebrochen.
Die wertvolle Einrichtung und Ausstattung des 17. und 18, Jahrhunderts wurde zum Teil schwer beschädigt.
Bei der Explosion wurden die 120.000 Ziegel der Kirchenbedachung total heruntergerissen.“
„Zerstörung des Stiftes im 2. Weltkrieg und Wiederaufbau“ von + Lukas Hammerle, O.Praem“
in:
„850 Jahre Chorherrenstift Wilten“ ISBN 3-85301-001-6
Bezüglich der Aufhebung:
„Am 26.August 1939 wurde Abt Schuler gezwungen, eine sogenannte Verkaufsurkunde zu unterschreiben, aufgrund welcher die Stiftsgebäude und der gesamte Grundbesitz des Stiftes an den Gau übergingen. Wenigstens blieb bei diesem Verfahren das Stift als Korporation erhalten.
Der Abt und die Konventualen verteilten sich auf die Pfarrhöfe der inkorporierten Pfarreien.“
„Die Geschichte des Stiftes Wilten seit 1138″ von Klemens Halder O.Praem.“ in „850 Jahre…“(s.o.)
Mein Vater hat mir mit seinem Faible für unfreiwillige Komik erzählt, daß es nach der teilweisen Zerstörung der Stiftskirche Leute gegeben hat, die felsenfest davon überzeugt waren, daß der nie vorhandene zweite Turm durch einen Volltreffer dem Erdboden gleichgemacht worden sei.
1971 wurde die Postbeförderung und 1974 der Güterverkehr auf der Stubaitalbahn eingestellt. Ich denke spätestens dann fuhr das letzte Postwagele mit.