Mathilde Zangerle – die Meisterin des Kleinen
Die Künstlerin Mathilde Zangerle wurde am 2. Februar 1912 in Heiligkreuztal in Baden-Württemberg geboren. Sie lebte und arbeitete viele Jahre ihres Lebens in Matrei am Brenner. Mathilde Zangerle, die nie eine Kunstschule besucht hatte, fertigte neben Öl- und Aquarellbildern vor allem Buchillustrationen und Miniaturen an. Ein Reporter der Tiroler Tageszeitung besuchte sie im Jänner 1951 in ihrem kleinen Atelier im Haus St. Michael in Schöfens (Matrei am Brenner). Der Artikel, den er nach einem längeren Gespräch mit ihr verfasste, erschien am 10. Jänner 1951 in der Tiroler Tageszeitung. Der Reporter beleuchtet darin den Werdegang der Künstlerin: „Mathilde Zangerle hat das Zeichnen und Malen nicht schulmäßig gelernt. Aus sich selbst fand sie den Weg zur Kunst und zur Miniatur. Da begegnete ihr eines Tages die Dichterin Veronika Rubatscher. Sie erkannte die Tiefe des Gemütes, aus der Mathilde Zangerle schafft, und bat sie, ihr Werk „Tiroler Legenden“, das dann bei Herder erschien zu bebildern.“ Durch diese Arbeit erlangte Mathilde Zangerle größere Bekanntheit und in Folge schuf sie weitere Illustrationen für Bücher mit meist religiösem Inhalt und zu Minneliedern.
Zum Zeitpunkt des Interviews arbeitete Mathilde Zangerle gerade an Initialen für ein Gebetbuch. Der TT-Reporter berichtete ganz begeistert über die Arbeit der Künstlerin: „Unter den feinen Händen der Künstlerin sind in monatelanger Arbeit bisher vierzehn Farbblätter mit feierlichen Initialen entstanden […]. Leuchtende Wasserfarben, in eigenartiger Technik auf Papier gesetzt, die feierlich-ernsten Buchstaben des Textes und eine unglaubliche Fülle kleiner und kleinster Figuren vereinigen sich zu Buchmalereien von außergewöhnlicher Schönheit und Feinheit. […] Hält man eine Lupe über die farbigen Darstellungen, so staunt man über die lebendigen, ausdrucksvollen Gesichter, die auf kleinstem Raum dicht nebeneinander stehen. Alles ist beseelt und stark empfunden. Die Hände der Figuren erinnern an die Gemälde mittelalterlicher Meister.“
Auf die Frage, ob sie von ihrer Kunst leben könne antwortete Mathilde Zangerle: „Wenn ich sehr fleißig bin, verdiene ich nicht ganz soviel, wie eine 14jährige Arbeiterin, die in die Fabrik geht. Die Menschen von heute zahlen Gemälde nach der Größe. Sie haben für das Subtile kein Verständnis. Sie wollen Monumentales, Gewaltiges sehen. Sie ahnen nicht, wieviel Schmerz und Freude, wieviel Innigkeit und Ausdruck auch in einer Miniatur gefangen sind, wenn man sie mit seinem eigenen Schmerz und seiner eigenen Freude beseelt.“
Das Titelbild zeigt eine Arbeit der Künstlerin mit dem Titel „Das Lied“, die sich im Eigentum des Stadtarchivs Innsbruck befindet.
(Stadtarchiv Innsbruck, Bi-862)