Eine berührende Geschichte
Vor einiger Zeit durften wir im Beitrag Innsbruck – Klein Venedig? bereits die ehemalige Heigl-Villa bewundern. Der Garten am Sillkanal bildete eine geradezu kitschige Szenerie mitten in der Stadt. Besonders freut es eine/n Archivar/in natürlich immer, wenn man auch noch familiäre Hintergründe zu den Gebäuden erfährt und die Menschen, die damals dort beheimatet waren, quasi per Foto und Erzählung kennenlernt. Im Laufe des 1. Weltkriegs ereignete sich nämlich folgende Geschichte rund um die Heigl-Villa: am 20. Februar 1918 – also vor fast genau 104 Jahren – stand Frau Paula Heigl im Eingang ihres Hauses und beobachtete einen italienischen Flieger in unmittelbarer Nähe. Bei dieser Information ist der/die ein oder andere aus der Leserschaft wohl sofort alarmiert und denkt sich „warum ist sie nicht sofort in den Keller gelaufen?“ Doch der Blick, den wir heute zurück haben, ist durch unser Wissen (v.a. auch auf den Zweiten Weltkrieg, seine ausgeklügelten Luftschutzsysteme etc.) natürlich ein ganz anderer als damals. Man muss sich vorstellen, dass Innsbruck im Ersten Weltkrieg äußerst selten Opfer von Bombenangriffen wurde, vielleicht war dieser sogar der erste ernstzunehmende. Die Neugier bei den Leuten war sicherlich groß, oft vielleicht auch größer als die Angst, dass tatsächlich etwas passieren könnte.
Zurück zu Paula Heigl: in ebendiesem Moment, als sie im Gang stand, wurde ganz in der Nähe eine Bombe abgeworfen. Paula hatte aber Glück im Unglück – die Bombe landete genau im Brunnenschacht vor dem Haus. Paula und die im Haus Bedienstete Klara Falk, die ebenfalls vor Ort war, wurden in den Gang des Hauses zurückgeworfen. Paula blieb für den Rest ihres Lebens schwerhörig. Auf dem Titelbild zu sehen sind Bilder der entstandenen Schäden an der Heigl-Villa (heute in etwa der Bereich Innenhof der Sterzingerstraße 8a). Sogar die Uhrzeit des Angriffs ist auf der Rückseite vermerkt: „3h Mittag“. Gut zu sehen ist die aufgeworfene Erde rund um die Stelle des Treffers und die typischen Schäden an den Fenstern, die Bombentreffer nach sich zogen.
Natürlich berichteten auch die Innsbrucker Nachrichten von dem Luftangriff. Einen Teil des Berichts können Sie hier lesen:
Paula Heigl war wohl eine der ersten Personen überhaupt, die in Innsbruck durch einen Bombenangriff Schaden nahm. Ihr und Klara Falk dürfte vor allem die Bahnhofsnähe der Heigl-Villa zum Verhängnis geworden sein, denn Bahnstrecken wurden besonders häufig bombardiert. Über den Verbleib der Heigl-Villa und auch über Paulas Schicksal wird ein paar Tage später, am 23. Februar des Jahres berichtet. Auch hier handelt es sich nur um einen Teil des Berichts:
(Anbei ergeht ein Dank an Manfred Leixner, der uns nicht nur die Digitalisate der Fotos zur Verfügung gestellt hat, sondern auch die Geschichte seiner Großmutter Paula Heigl mit uns teilte. Quelle Zeitungsausschnitte – ÖNB/ANNO)
Hier ein Luftbild des Geschehens, aufgenommen aus einem der italienischen Aeroplane. Neben den Rauchwolken am Bahnhof sieht man ganz rechts unten im Eck sie Zeichen der Zerstörung in der Sterzinger Straße: https://postimg.cc/4K8X8txc
Auf der Rückseite obiger Fotografie sind Details zu der Besatzung des Fliegers vermerkt, allerdings mit dem eindeutig falschen Datum 18. Februar (da gab es keinen Bombenangriff, der erste war erst zwei tTage später, am 20.´)
https://postimg.cc/Tpr0nJtt
Erwähnt werden die Piloten Palma und Croce im Rang eines capitano, und der Unteroffizier Amantea et alii.
Ebenfalls in meinem Besitz sind zwei abfotografierte italienische Militärluftbilder der Bahnhofsgegend aus dem Jahr 1917., die möglicherweise Planungsgrundlage für die in Jahr später erfolgte Bombardierung wurden. Auch auf diesen Bildern stehen die Menschen gemütlich herum und gaffen hinauf zum Flugzeug. Man ängstigte sich nicht, weil man nichts von der Gefahr wußte.
Sehr geehrter Herr Hirsch,
Danke für das sehr interessante Luftbild. Haben Sie eine Erklärung für mich warum auf dem 1918 aufgenommenen Bild der Sillkanal nicht zu erkennen ist? Meines Wissens nach wurde dieser erst in den 30er Jahren entfernt?
Schöne Grüße
Manfred Leixner
Lieber Herr Leixner,
ich habe dieses Foto neulich hier
https://innsbruckerinnen.at/maps/ibk1918/leaflet.html
über einen Stadtplan gelegt.
Mir kommt vor man erkennt den Kanal an einigen Stellen noch recht gut, ab vielen ist er allerdings schon unterirdisch.
Ich hab natürlich Heimvoteil, weil ich das Foto besitze. Man sieht den Sillkanal in der Adamgasse nur mehr sehr unterbrochen, in der Meinhardstraße komplett und soweit im Bild, nach der Mueseumstraßenunterführung auch noch im (oder statt dem) Klara Pölt Weg.
Stichwort „Sillkanal“:
Jedenfalls – vor 15.12.43! – floß der Sillkanal „oberirdisch“ in der Adamgasse – und in der Meinhardstraße – und weiter.
Nach Kriegsende dürfte allzu viel bombenzerstört gewesen sein…. Man hatte damals wahrlich andere Sorgen als das Flicken eines desolaten Kanalbettes.
Wieviel dieser Kanal, (der Dank Ing Konzert „von der Kurve“ endgültig Vergangenheit ist und nicht mehr wiederbelebt werden kann) zum Klimatisieren des städt.Raumes beigetragen hat… ?!