Gestrandete Inn-Kosaken
Dieses Bild lässt den eiligen Betrachter etwas ratlos. Eine Riege Männer zwischen 20 und 40 hat sich im Stil der von Kosaken gekleidet und ganz offensichtlich großteils falsche Bärte aufgeklebt. Auch die Stiefel scheinen eher aufmunitionierte Bergschuhe zu sein. Was macht man mit so einer Karte? In unserem Fall war es einfach: man drehe sie um.
Offenbar vor „Weihnachten 1934“, so die Rückseite, haben Herren des „I.T.V“ (des Innsbrucker Turnvereines) hier eine Vorstellung als „Don-Kosaken“ gegeben. Deren für Turner natürlich naheliegenden akrobatische Turneinlagen waren gefühlt in jeder dritten Kulenkampff-Sendung und auch noch bis in Wetten-Dass-Zeiten so etwas wie das neutralste Sowjetische Kulturgut, das man als Gegner des Kommunismus im Samstag-Abend-Hauptabendprogramm zulassen konnte. Die absurdeste Ausformung dieser Cultural Appropriation in der Person des Kosaken-Darstellers Ivan Rebroff hat hier schon einen Artikel bekommen. Und die echten Don-Kosaken hatten gut 10 Jahre zuvor in Innsbruck gesungen… was für ein Unterschied im Styling!
Weil man heute ja wirklich alles in den volltexterkannten Zeitungen der Zwischenkriegszeit findet, hier noch ein kurzer Bericht in den Innsbrucker Nachrichten dazu. Der Faschings-Abend fand mitten im Advent statt, was 1934 natürlich auch ein antiklerikales Statement war. Wegen des großen Erfolges musste er sogar wiederholt werden. Teil der Ansprachen des politisch sicher auf rohen Eiern ausgetanzten Abends war eine eindringliche Erinnerung an die vielen arbeitslosen ITV-Kameraden. Nur wenige Monate zuvor hatten österreichische Nationalsozialisten versucht, mit einem blutigen Putsch an die Macht zu kommen und nur wenige Jahre später findet man die Namen der hier genannten Redner und Ideologen in mittleren und höheren Parteifunktionen der NSDAP.
(Stadtarchiv Innsbruck, Photo Linser, Ph 33881)