Eine Minute später… oder doch früher?
Mit großem Vergnügen und Interesse hat der Autor der Beiträge die gestrige Diskussion beim Schwesterbild dieser Aufnahme verfolgt. Wir wissen jetzt dass beide Fotos vor der 1925 erfolgten Errichtung eines ordentlichen Flugplatzes in der Reichenau geschossen wurden. Aber schon die Frage, ob es wenige Minuten vor oder wenige Minuten nach dem anderen Foto klick gemacht hat, ist angesichts der von Herrn Hirsch völlig zurecht eingeworfenen Ballon-Option schwer zu beantworten. Ein Ballon würde nach allen Regeln der Thermik immer von West nach Ost über die Stadt fliegen fahren, ein Flugzeug macht in der Regel, was der Pilot will. Beim Blättern in unseren Fotobeständen der Sammlung Kreutz sind davor und danach immer Bilder mit Flugzeugen zu sehen; das und der Umstand, dass die Aufnahme auf ein späteres Jahr geschätzt war, führte zur vorschnellen Annahme, es müsse einfach ein Rundflug aus der Reichenau gewesen sein.
Hier ergänzend zu den Links von Herrn Auer noch ein Bericht der Flugschau des Ernst Udet im Oktober 1925 samt Absturz beim Bodenlooping und Teilnahme am Festbankett danach.
Ernst Udet, zu dieser Zeit nur unbestrittenes Fliegerass und noch nicht mit der NS-Führung in die Kriegsplanung und -führung verwickelt, war sicher immer wieder in Tirol. In der Telfer Industriellenfamilie Pischl erinnert man sich, dass der Firmenchef der Lodenfabrik mit Udet einen Landeplatz in Vent(!) auskundschaftete, da Pischl, von 1919 bis 1927 Besitzer des „Hotel Vent“ die Anreise über die schlechten Wege im Ötztal zu lang dauerte. Auch die Zeitungen berichteten vom Kauf der Doppeldeckers und vom Bau des Airports in Vent. Diese Kunstflieger benötigten sicher nur ein paar Meter trockenen Boden, um zu starten und zu landen. Die Motivation Rudolf Pischls, dort oben in die Hotellerie einzusteigen, war nicht primär der Fremdenverkehr gewesen, sondern der Umstand, dass man 1919 praktisch keine Wolle auf dem Europäischen Markt erwerben konnte… also kaufte er sich im Tiroler Schafmekka Vent ein.
Die hier gezeigte zweite Aufnahme ist etwas näher an der Stadt gemacht, etwas unschärfer aber dank der neuen Winkel genauso interessant. Von der Tivoli-Laufbahn links unten über die heute so viel wertvollen urbanen Raum verschwendenden ausgedehnten Gleise des Haupt- und Frachtenbahnhofs, vor der Sill noch die Anlagen der Epp’schen Seifenfabrik in der Hunoldstraße, dahinter bachabwärts die Rhomberg-Fabrik in Totale.
Der Hinweis auf Udet und Vent ist sehr interessant! In den Zeitungsarchiven findet sich dazu ein informativer Bericht, in dem auch die Rolle des Fabrikanten Pischl näher beleuchtet wird. Herr Pischl hat demnach bereits 1925 ein Flugzeug des Typs „Udet Flamingo“ gekauft:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19260828&query=%22udet+vent%22~10&ref=anno-search&seite=4
1923 gab es von anderer Seite sogar die öffentliche Ankündigung, zwischen Amras und Igls eine Fluglinie einzurichten – Ticketpreis 10.000 Kronen, das entspricht 10 Einzelausgaben der Innsbrucker Nachrichten. Ein eigener Shuttle-Bus hätte die Passagiere vom Stadtzentrum nach Amras transportieren sollen. Nachher hört man von dieser Idee aber nichts mehr:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19230627&seite=3&zoom=33&query=%22flugzeug%2Binnsbruck%22~10&ref=anno-search
Die Baustelle Bismarckplatz – Maximilianstraße / Salurnerstraße sticht heraus!!
Noch ein Zeitungsfund:
Die geplante Fluglinie Innsbruck-Vent scheint abgesehen von Probeflügen nie für den regulären Passagierverkehr eröffnet worden zu sein, weil das Flugzeug vorher in Seefeld abgestürzt ist:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=tan&datum=19271217&query=%22Flugplatz+vent%22~10&ref=anno-search&seite=6
Hahaha, Fluglinie zwischen Amras und Igls! Fahrzeit mit dem Auto bis zum Flugplatz wahrscheinlich gleich lange wie direkt nach Igls. Und dann vorher noch tagelang warten, bis die sechs Passagiere beinand sind. Und dann in Igls irgendwo in der Nähe von Patsch oder Lans landen. Und wieder autofahren.
Ich vermute, daß dahinter der Luftfahrtfantast (copyright Dr. Tanja Chraust) Ing. Hummel steckt, der so tragisch wie unterhaltsam Innsbruck in ein frühes Rhein-Main verwandeln wollte. Von ihm stammt glaub ich auch die tatsächlich kurz ernstgenommene Idee, die Seegrube per Aeroplan anstelle der umständlichen Seilbahn zu erreichen. In die selbe Zeit fiel wohl auch die Schnapsidee, das Hafelekar und die Pfeishütte mit einer Liliputbahn zu verbinden.
Was mir so auffällt: am Bahnhof fehlt noch der Uhrturm, Adambräu noch keine Baustelle, ebenso beim Hallenbad. Knollerstrasse besteht schon bis Haus 12, Rapoldipark fehlt auch noch. Pradler Kirche dürfte auch noch fehlen, zumindest erkennt man den Platz noch nicht. Am Bahnhof ist schon alles elektrifiziert und das zweite Heizhaus steht schon.
Übrigens der wertvoll verschwendete Urbane Raum des Bahnhofes lag vorher weit abseits der Stadt und noch dazu teilweise ein Sillbett.
Herr Schröter – schaun’s bitte noch auf das vordere Bild und den Kommentaren dazu
http://innsbruck-erinnert.at/anflug-von-innsbruck-ost/
okay, entschuldigung, habe erst dies angeschaut
Passt schon, Herr Schröter – wollte nur darauf aufmerksam machen!