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157 Ansichtskarten An Egon

157 Ansichtskarten an Egon

Der fünfjährige Egon Dubsky aus der Heiliggeiststraße war kein Innsbrucker Kind wie jedes andere. Er bekam schon in diesem zarten Alter viel Post aus der Habsburger-Monarchie, aus Italien, Deutschland und England und auch aus Übersee. Offenbar hatte den kleinen Buben aus der überregional ein- und verkaufenden Familie von Destillateuren bereits im Vorschulalter die Briefmarken-und Poststückesucht ereilt. Entweder auf Hinweis und Bitte seiner liebenden Eltern oder durch eigenes Zutun sandten ihm viele freundliche Menschen Ansichtskarten. Kurze Grüße, kleine Geschichten, typische Kuraufenthalts- und Urlaubsgrüße kamen herein, dazu eine phantastische Serie an Weihnachts-, Oster-, Pfingst- und Neujahrswunschkarten. Insgesamt 157 solcher Grüße, fast alle aus den Jahren 1902 bis 1907, alle an Egon (geboren 1897) oder seine Mutter Wilhelmine adressiert, sind durch einen glücklichen Zufall auf dem Dachboden des Hauses in der Heiliggeiststraße liegen geblieben und über mehrere Umwege kürzlich im Stadtarchiv Innsbruck gelandet. Wir schauen uns nun genauer an, wer da wann was versendet hat.


Verblüffend ist für den Autor dieser Zeilen, als Bub selbst Briefmarkensammler, dass keine dieser Karten zerschnitten, gebadet, oder sonstwie entmarkt worden ist. Der Empfänger hat, wie aus einem weiteren Familienbestand bekannt ist, später wie so viele Innsbrucker:innen ernsthaft Marken gesammelt. Den Bestand seiner Karten aus dem Jahren 1902 und folgende hat er dafür nicht angetastet.

Egon Dubsky wurde vierzig Jahre später im Innsbrucker KZ Reichenau von Gestapochef Werner Hilliges kaltblütig erschossen. An ihn wird, so wie an viele Tote des Lagers, bald erstmals im öffentlichen Raum erinnert werden. Die Postkartenserie illustriert die Jahre, als sich jüdische Kinder in Innsbruck noch wie es sich gehört mit Kindereien und Postamt spielen beschäftigen konnten.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Zur Nennung des Namens „Dubsky“ taucht bei mir automatisch stets folgende Erinnerung auf:
    Nach 1950 – wir wohnten also bereits in der Andreas Hofer Straße – sagte meine Mutter zur Nonna:
    „stell Dir vor, den „armen Dubsky“ haben sie auch ermordet“. „Was? Den „armen Dubsky“ (quel por Dubsky -wörtlich im Trentiner Dialekt), „aber der hat doch niemandem etwas getan…“ Ich weiß noch gut, wie betroffen sie davon war.
    (Das Wort „por“ für „povero“-arm verwendete Nonna zweifach: wenn jemand nach verstorben war, aber auch, wenn es sich um einen „armen Häuter“ (geistig) gehandelt hatte.)
    Deshalb ist diese Postkartensammlung ein wunderbares Zeichen für taktvoll-verstehende Mitmenschlichkeit, mit welcher nicht nur dem Kind, dem Egon, Freude und Abwechslung geschenkt wurde, sondern auch den Eltern Trost und Verständnis entgegengebracht wurde.
    Was weiß man über das Schicksal der Eltern? Was mußten sie noch miterleben? Oder waren sie beeits verstorben, als der ganze Albtraum begann?

  2. Der letzte Absatz haut aber schon richtig rein. Wow. Das darf niemals wieder passieren.
    Die Anfänge, derer wir uns erwehren müssen, sitzen schon in den Parlamenten von Stadt, Land und Bund, fechten Mensuren, bagatellisieren die Klimakatastrophe, hetzen gegen queere Menschen und LGBTQ, fordern Fahrradkurse für einheimische Männer oder tragen Burger-King-Kronen.

    1. Und das war kein Einzelfall sondern hatte System.

      Da nimmt sich „Fahrradkurse für einheimische Männer“ (really?) geradezu wie ein Witz aus. Hab ich da was versäumt? Liest sich wie der Dorfbühnenbrüller „Opa weg vom Mountainbike!“.

      Ein Art P.S. Kann es sein, dass ich dieses Postkarten- und damit Briefmarkentauschen noch am Rande miterlebt habe?

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